Gefaehrlich begabt
ihr die Lust, sich mit möglichen Legenden auseinanderzusetzen. Von dem Flattern in der Magengegend mal ganz zu schweigen. Was sollte sie tun, wenn sie stimmten?
Erst am späten Abend besuchte sie den alten Resthof. Sally loszuwerden hatte sich schwierig gestaltet.
Marla schien das ganz gelegen zu kommen. Sie wirkte nervös, als sie die Tür öffnete.
»Konntest du das Brett besorgen?«, fragte Anna, während sie leise in die Küche gingen.
»Ja, konnte ich«, flüsterte Marla. »Aber ich habe Sebastian gerade erst erreicht, er ist den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen. Bis er hier ist, sollte hoffentlich auch Jenny eingeschlafen sein. Sie ist eben erst zu Bett gegangen.«
Anna konnte verstehen, dass Marla ihre Tochter nicht dabeihaben wollte. So abgeklärt Jenny manchmal auch sein mochte, sie war noch ein Kind und Marla hatte jedes Recht dieser Welt, sie zu schützen.
Annas Nerven lagen auch blank. Sie hatte sich auf der Fahrt hierher mehr als einmal gefragt, ob sie eigentlich das Richtige tat. Die Erinnerung an Evas ängstliche Stimme verdrängte alle Zweifel erneut. Sie musste ihr helfen und vielleicht noch unzähligen anderen.
Sie setzten sich an den Tisch. Kaum später hörten sie Schritte im Hausflur. Sebastian sah blass aus, er senkte den Kopf. Seine Arme hingen kraftlos hinunter und seine Körperhaltung glich einem Gummimännchen.
»Hi«, sagte Anna und versuchte, seinen Blick aufzufangen.
»Das ist eine total bescheuerte Idee, Anna.«
Was für eine nette Begrüßung. Marla schnaufte nur. Natürlich gab sie ihm recht.
»Es ist unsere einzige Chance!« Anna blickte ihnen abwechselnd ins Gesicht.
Sebastian starrte ins Leere. Er vermied es, ihr in die Augen zu sehen. In dieser Angelegenheit durfte sie keine Rücksicht nehmen.
»Ich hab noch eine Frage an euch. Habt ihr jemals von einem Gerücht gehört, dass von verschollenen Pergamenten handelt, die uns ungleich stärker machen sollen?«
Marla schüttelte ratlos den Kopf, aber Sebastians Augen blitzten auf. Es verschlug ihm offensichtlich die Sprache und er fixierte sie mit wachsamem Blick.
»Woher hast du die Geschichte?«, fragte Marla.
Anna strich sich das Haar hinter die Ohren. Sie mochte sich nicht länger mit der Geschichte auseinandersetzen. Sie sparte sich ihre Konzentration lieber für das Ouija-Brett auf, zudem sträubte sich etwas in ihr, von der Prophezeiung zu berichten. Wenn sie es laut aussprechen würde, würde es die Sache noch realer machen. Der Schreck saß ihr noch tief in den Gliedern.
»Wollen wir anfangen?«, fragte sie und blickte in die Runde.
Marla atmete schwer ein und aus, nickte zögerlich. Sebastian verharrte still an seinem Platz, den Blick auf die Tischkante gerichtet. Was war nur los mit ihm? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihn Angst lähmte. Er war sicher kein Feigling. Sie beschloss, ihn später danach zu fragen, im Augenblick ging Eva vor.
Marla griff nach einer Holzkiste. Sie erschien verhältnismäßig klein, wenn sie den Inhalt bedachte.
»Wir werden hier am Küchentisch bleiben. Sebastian? Kannst du bitte noch nachsehen, ob Jenny eingeschlafen ist? Wir können sie hierbei nicht gebrauchen.«
Er verschwand wortlos aus der Küche. Marla öffnete die alte Kiste und Anna hielt die Luft an. So also sah ein Ouija-Brett aus. Das Holz wirkte antik, sie tippte auf Mahagoni. Die altertümliche Schrift ließ auf das neunzehnte Jahrhundert schließen.
»Der Mann aus dem Laden sagte, alle sollen den Stein berühren. Wir dienen ihm als Kraftspender«, erklärte sie. Sie legte einen großen, pechschwarzen Edelstein auf die Mitte des Brettes. Den Rand zierten Buchstaben und Zahlen. Wenn alles richtig lief, würde der Stein von Buchstabe zu Buchstabe gleiten, bis sich ein Wort oder Satz bildete.
»Du brauchst nicht viel zu tun. Deine einzige Aufgabe ist es, die Frage zu stellen. Der Onyx«, sie deutete auf den Edelstein, »wird deine Gabe in sich aufnehmen und für den Moment verwalten. Du wirst ihm sagen, wen er aufzusuchen hat.«
»Okay«, sagte Anna fest. Sie schauspielerte gut, denn ein beklommenes Gefühl breitete sich aus und schnürte ihr Herz zusammen. Hoffentlich machte sie alles richtig.
»Du darfst den Stein unter keinen Umständen loslassen. Keiner von uns darf das. Sobald wir loslassen und der Stein den Kontakt verliert, wird deine Gabe zurück in deinen Körper fließen. Womöglich öffnet das aber ein Dimensionstor.«
»Ein Dimensionstor? Für was?«
»Dämonen«, warf Sebastian kühl
Weitere Kostenlose Bücher