Gefaehrlich begabt
Runde machte. Es schien nichts über die Magier und die Hunter vermerkt zu sein. Keine Zeile deutete darauf hin, dass die Begabten vor Jahrzehnten von größeren Sorgen als Kinderkrankheiten gequält worden waren. Enttäuscht wollte Sebastian das Buch zurücklegen, da fiel aus dem hinteren Teil des Einbands ein Brief heraus.
Eine Alice Smith hatte ihn an Elisabeth Cole adressiert.
Sebastian faltete das Papier auseinander und – Bingo!
Genau danach hatte er gesucht.
21.06.1948
Liebe Beth,
es ist einfach schrecklich. Diese Magierfamilie hat Betty ermordet. Aber endlich unternimmt der Beirat etwas. Trotzdem zerspringt mein Herz vor Angst, denn sie haben Charles mit in das Team aufgenommen, das diese grausamen Wesen stoppen soll. Seit Charles fort ist, ist plötzlich auch Tiffany verschwunden. Unser kleines Mädchen hängt doch so sehr an ihrem Vater. Ich hoffe, dass sie sich bloß irgendwo versteckt. Ich mag nicht daran denken, dass ihr vielleicht etwas zugestoßen sein könnte. Hoffentlich geht es euch gut. Bitte vernichte diesen Brief, denn das Wissen gilt noch immer als tödlich.
Alice
Sebastian schwelgte in Erinnerungen. Plötzlich sah er den längst verblassten Moment wieder glasklar vor sich. Es überraschte ihn, dass er das Szenario bisher verdrängt hatte.
Am 20.07.1948 hatte der Beirat sie gestoppt. Ein warmer Sommertag, mit endlos blauem Himmel. Kinder spielten in den zertrümmerten Straßen der Nachkriegszeit und begannen, wieder sorgenfrei zu leben. Die abgehärteten Menschen schockte nichts mehr. Seine Familie hatte bereits den Großteil der Jäger erledigt, aber der Rest kämpfte mit eisernem Willen. Ein junger Mann, höchstens dreißig und ausgestattet mit einer Telekinese-Gabe, nahm ihn gefangen. Die Angriffe der Männer kamen überraschend und Sebastian schaffte es nicht, ihnen auszuweichen. Für ein Menschengespann schlugen sich die zwei Jäger gut, sie besaßen enorme Kräfte. Der überlegene Jäger lachte triumphierend und rief seinem Kriegsgenossen heiter zu. »Ich habe einen Bastard. Charles, komm her und hilf mir!«
Sebastian sah Charles nicht kommen, denn der andere hatte ihm einen Sack über den Kopf gestülpt. Natürlich total überflüssig. Eine Hexenformel lähmte ihn bereits, wer auch immer sie gesprochen hatte. Aber der Name Charles grub sich tief in sein Gedächtnis, sein Peiniger hatte ihn in jedem Fall verwendet. Vielleicht bestand also Hoffnung, dass dieser Charles noch lebte.
Sebastian steckte den Brief in die Tasche. Ob er bei Marlas Telefonnummern einen Vermerk zu diesem Namen fand? Gott spielte sicher nicht auf seiner Seite, dennoch schickte er ein Gebet in den Himmel. Hoffentlich hörte er Anna zuliebe zu.
Sebastian betrat das Wohnzimmer und blätterte in dem Notizblock. Sein Herz zog sich zusammen, als er Marlas Handschrift erkannte. Sie verwendete kein sonderlich gut geführtes System, krickelte alles auf beliebige Seiten. Er nagte auf seiner Unterlippe, als er den Namen erspähte. Die verwischte Telefonnummer stand dicht daneben. Zum Glück konnte er sie entziffern. Vermutlich stammte die Notiz aus längst vergangener Zeit. Er hoffte, dort noch jemanden zu erreichen. Die Vorwahl deutete auf Schottland hin.
Er ging zum Schreibtisch am Fenster, fuhr den Laptop hoch und gab die Telefonnummer in eine Suchmaschine ein. Viele Suchergebnisse nannten nur eine einzige Antwort, ein Seniorenpark in Edinburgh. Er wählte die Nummer. Es meldete sich eine freundliche Stimme einer Krankenschwester. Er erkundigte sich höflich nach dem alten Jäger.
»Ja, Mr. Smith lebt bei uns, allerdings geht es ihm nicht be…«
Schnell legte Sebastian auf. Er lebte noch! Aber das, was er mit dem Mann zu besprechen hatte, konnte er nicht am Telefon tun.
Er atmete tief durch und schluckte die aufkeimende Übelkeit hinunter. Ihm blieb keine Wahl, er musste die winzige Chance ergreifen. Hoffentlich lieferte ihm der Mann Antworten. Er verschob die Grübeleien auf später und stürmte aus dem alten Haus. Er musste sofort nach Schottland.
29. Kapitel
Dicke Luft
A ls Anna den Speisesaal zum Mittagessen betrat, verstummten die Gespräche an der Tafel. Sicher hatten sie von ihr gesprochen. Na ja, nach ihrem super Abgang war das wahrscheinlich nicht verwunderlich.
Kein Beiratsmitglied ließ sich blicken, sie musste die Gunst der Stunde nutzen. Sie setzte sich neben Kevin, mit der Absicht, ihn für sich zu gewinnen. Ihre Freunde waren nicht auf den Kopf gefallen, bestimmt durchschauten sie das
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