Gefährlich nah
Telefonnummer
gefragt oder sie angeschaut, als sie aus dem Auto gestiegen war. Vielleicht konnte sie sich einfach nicht mit Abbie messen, was das Küssen anbetraf. In allen anderen Bereichen konnte sie es ganz sicher sowieso nicht mit Abbie aufnehmen. Wer konnte das schon? Also war Sanjay vielleicht nur einer plötzlichen Eingebung gefolgt, die er dann sofort wieder bereut hatte. In jedem Fall war sie nicht besonders scharf drauf, ihm heute zu begegnen. Wie sollte sie sich verhalten? Was sollte sie zu ihm sagen? Was war, wenn er sie komplett ignorierte?
Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Während sie versuchte, unbemerkt in den Gemeinschaftsraum zu schlüpfen, tauchte Sanjay neben ihr auf, so als hätte er auf sie gewartet.
»Wie geht’s dem Finger?«, fragte er.
»Gut«, sagte sie, aber ihre Worte wurden von einer lauten Stimme übertönt, die von dem Stuhlkreis zu ihrer Linken herkam.
»Also Toms Freundin Paige ist Schauspielerin, ja? Und sie hatte da so ein Casting in Manchester am Sonntagnachmittag«, erzählte Abbie fast allen im Raum. »Und da dachte ich, wir würden einfach nur auf sie warten und dann nach Hause fahren. Aber bis sie da fertig war, hatte Tom solchen Hunger, dass wir in dieses geniale Restaurant gegangen sind, und Tom hat Champagner bestellt, weil Paige in Tränen aufgelöst war, weil man sie bei dem Casting so beschissen behandelt hatte.«
Champagner. Lauren. Die Verbindung in Dees Kopf war sofort da, und das Bild, das sie heraufbeschwor, war
so überwältigend, dass sie anfing zu schwanken und nach Sanjays Arm greifen musste, um sich festzuhalten, während Abbie fortfuhr.
»Tom sagt nämlich immer, dass, wenn man sowieso schon voll glücklich ist, Champagner nur Verschwendung ist. Tom findet, man sollte Champagner trinken, wenn man grade mies drauf ist.«
Champagner. Musste Abbie das Wort eigentlich dauernd sagen und es derart betonen? Konnte sie nicht über was anderes reden? Champagner. Lauren. Dieser schreckliche Neujahrstag vor zwei Jahren. Dee schüttelte den Kopf und versuchte, sich zu konzentrieren, sich den Rest von Abbies Geschichte anzuhören, um damit die Erinnerung an Lauren abzuschütteln - wenigstens für den Augenblick.
»Und es hat funktioniert«, kreischte Abbie gerade, »weil dann ist Paige total aufgedreht. Hat drauf bestanden, dass wir danach noch in einen Club gehen. Paige ist da Mitglied und es ist voll cool da! Voller Schauspieler und Fußballer und so.«
Sie rasselte eine ganze Liste von Möchtegernberühmtheiten herunter, die Paige angeblich kannte.
»Aber von denen war gestern keiner da«, gab Abbie zu. »Aber hört euch das an! Leo - das ist der Freund von Paige - ist aufs Klo gegangen, und Tom hat mit Paige getanzt, und ich hab meine Eltern angerufen, um ihnen irgendeine Story zu verklickern, warum ich so spät nach Hause komme, und dann sitz ich da irgendwie so rum und schau mich um, und ratet mal, wen ich da an der Bar gesehen habe?«
Nach ungefähr einer Million fehlgeschlagener Rateversuche durch ihre begeisterten Zuhörer verkündete Abbie triumphierend den Namen.
»Ihr wisst doch!«, sagte Abbie, als alle nur verständnislos dreinblickten. »Sie ist ein Model. Sie war im Fernsehen, in einer von den Reality-Shows. Sie war die, die rausgeflogen ist, weil sie dem anderen Mädel eine runtergehauen hat. Hazel, du weißt es noch, oder? Wir haben das zusammen angeschaut. Es war total komisch! Hazel, komm schon, wach auf. Du bist ja schon den ganzen Morgen so muffelig drauf.«
»Ich bin nicht muffelig«, sagte Hazel und erhob sich. »Ich hab nur die Schnauze voll davon, dir die ganze Zeit zuzuhören! Warum hörst du nicht einfach mal mit dem beschissenen Gelaber auf!«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, das nur vom Knallen der Tür unterbrochen wurde, als Hazel nach draußen stürmte.
»Wow«, flüsterte Sanjay und drückte Dees Hand. »Was war das denn? Ich hab noch nie mitgekriegt, dass Hazel Abbie so angemacht hat. Und normalerweise flucht sie auch nicht rum. Das ist überhaupt nicht ihre Art!«
Dee schaute zu Abbie hinüber, die nur die Schultern zuckte, lächelte und sich bemühte, cool zu bleiben.
»Hey«, sagte Abbie, stand auf und kam zu ihnen rüber.
Dee zog instinktiv ihre Hand von Sanjay weg und er verzog sich auf die andere Seite des Raums.
»Äh, sorry«, sagte Dee und blickte auf ihre Hand. »Wir haben, äh, nur geredet.«
»Chill«, sagte Abbie. »Wenn du und Sanjay was miteinander habt, dann ist das total
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