Gefährlich schön - Crazy in Love 1 (German Edition)
wie echt sie mir erschienen waren, und ich wusste, dass er überall darin präsent war.
Ich gab mir einen Ruck, öffnete die Tür und sah hinein. Es war alles unverändert; ich hatte niemanden hineingelassen, noch nicht einmal Grace. Das Bett war nicht gemacht, und über einen Stuhl in der Ecke, unter dem meine Laufschuhe standen, lag achtlos ein Kleid geworfen. Über dem Spiegel auf meiner Kommode hingen meine vielen Perlenketten, darunter auch eine mit schwarzen Perlen. Ich hatte die Perlenketten von meiner Tante geerbt, als sie starb, und sie hatte sie wiederum von ihrer Mutter geerbt. Ich musste lachen, als mir Bens Kommentar Die erinnern mich an deine Oma wieder einfiel.
Ich hatte das Gefühl, als wäre die Zeit stehengeblieben, aber mir war klar, dass es nicht so war – nur hier drinnen war es so. Ich sah all unsere Dinge an und wusste, es war Zeit. Es würde merkwürdig sein, mich von seinen Sachen zu trennen, aber ich werde mich immer an ihn erinnern, er war ein Teil von mir, er ist ein Teil von mir, ein Teil meines Herzens, ein Teil meiner Seele, ein Teil von allem. Und er wird es immer bleiben.
Ich stand vor seiner Kommode und betrachtete das Eau de Cologne, das seine Schwester ihm vor so langer Zeit geschenkt hatte und das er so gut wie nie benutzt hatte. Ich grinste, als mir wieder einfiel, wie er damals gesagt hatte: »Eau de Cologne ist bloß ein männlicherer Begriff für Männer-Parfüm. So oder so ist das was für Pussys.« Er hatte den Worten immer gerne seine eigene Bedeutung gegeben.
Dann sah ich mein Spiegelbild; die eingefallenen Wangen, mein ungekämmtes Haar und die müden Augen. Wie oft hatte er zu mir gesagt: »Du siehst umwerfend aus.« Was er wohl jetzt zu mir sagen würde? Wahrscheinlich etwas wie: »Dahl, reiß dich mal am Riemen, verdammte Scheiße.« Sogar darüber musste ich lachen, denn seine Schimpfwörter waren nicht wirklich vulgär, sie waren einfach Teil seines alltäglichen Sprachgebrauchs, und über die Jahre hatte auch ich sie mir angeeignet.
Ich sah auf den Verlobungsring, der jetzt an der Kette um meinen Hals hing, und den Armreif an meinem Handgelenk. Der Gedanke, dass ich den Ring an der Kette nicht immer tragen würde, schmerzte, aber ich wusste, den Liebesarmreif würde ich niemals ablegen. Nicht nur, weil er ihn mir an seinem Todestag geschenkt hatte, sondern weil er gesagt hatte, dass der Armreif etwas ausdrückt, was er nie so richtig in Worte fassen konnte. Ich hatte nie an seiner Liebe zu mir gezweifelt, aber diese Geste bewies sie mehr als alles andere. Als ich daran dachte, bekam ich ganz weiche Knie. Ich schwor mir, dass der Armreif mir eine ständige Erinnerung daran sein würde, immer zu sagen, was gesagt werden muss – ohne es hinterher zu bereuen.
Der Spiegel schien mir jetzt nur noch ein unordentliches Zimmer zu reflektieren. Es war nicht mehr unser Zimmer, auch nicht das Zimmer oder mein Zimmer. Es war einfach bloß ein unordentliches Zimmer. Grace wollte es schon tausendmal aufräumen, aber ich hatte sie nie gelassen. Ich war nicht bereit, die Erinnerung an diesen schönen Tag, unseren letzten gemeinsamen Tag auslöschen zu lassen, aber jetzt wusste ich, dass die Erinnerung daran niemals ausgelöscht werden kann, weil sie für immer mit meinem Gedächtnis verwoben ist.
Ich drehte mich von der Kommode weg und sah mich wieder im Zimmer um. Ich fragte mich: Was ist aus mir geworden? Aber ich wusste die Antwort bereits. Ich war leer, beinah ohne jedes Gefühl, und so wollte ich nicht länger sein. Ich musste die Gegenwart wieder in dieses Zimmer hereinlassen. Ich musste diesen Tag wegschieben. Ich musste wieder ich werden. Und mit dem Gedanken schnappte ich mir lächelnd meine Laufschuhe und meinen iPod. Ich wollte den Tag mit Laufen und Musik beginnen und den Kopf freikriegen. Und wenn ich zurückkäme, würde ich vielleicht endlich beginnen, was ich schon längst hätte beginnen sollen.
Kapitel 5
Every Storm Runs
out of Rain
Gegenwart
Es riecht nach Herbst. Ein kalter Wind wirbelt rote, gelbe und orangene Blätter um mich. Auf dem Weg vom Park zurück nach Hause komme ich an ein paar Kindern vorbei, die mit Rechen das Laub zusammenkehren und sorglos hineinspringen. Wie ich mich wohl fühlen würde, wenn ich in diesen Laubhaufen springen würde?
Ich laufe jetzt fast jeden Tag. Durch das Laufen fühle ich mich wieder wie ein Mensch; es befreit meinen Geist und lässt mich alles vergessen. Diesen Morgen bin ich acht Kilometer gelaufen, und
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