Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
aber nicht die blonde Rezeptionistin mit den kaputten Haarspitzen. Stattdessen steht hinter dem Tresen ein klapperdürrer, rothaariger Typ im Schlabberpulli. Und davor lehnt ein unglaublich gut aussehender Glatzkopf mit gebräuntem Teint und dunklem 3-Tage-Bart mit dem Rücken an der Rezeption. Die Hände stecken in den Hosentaschen, ein Bein hat er angewinkelt, das andere spreizt er ein wenig nach vorn ab. Mit seiner lässigen Haltung ähnelt der Kerl einem männlichen Top-Model.
Beide Männer sehen mir entgegen, als hätten sie sich abgesprochen.
Wenn ich gewusst hätte, dass in diesem Hotel Models absteigen, hätte ich gar nicht erst ins Marriott gewollt. Meine Güte, sieht der Typ mit der Glatze gut aus! Ziemlich hoch gewachsen, schlank, aber durchtrainiert, große braune Augen, hübsche Gesichtszüge, inklusive einer hinreichend langen, nicht zu dicken Nase. Ich mag es nicht, wenn Männer Stupsnasen haben. Ich finde, dass sie dann nicht wie Männer aussehen. Dicke Nasen mag ich aber auch nicht. Aber egal. Seine ist ohnehin perfekt. Der Typ trägt eine dunkle Hose und teure Halbschuhe und eine doppelreihig geknöpfte Winterjacke mit hochgestelltem Kragen. Um seinen Hals schlingt sich ein ecrufarbener Kaschmirschal, der seinen Hautton und die dunklen Augen erst so richtig zur Geltung bringt. Der Kerl wäre die perfekte Besetzung für meinen Liebesfilm.
Gut, dass Clément nicht weiß, wo ich mich in diesem Moment aufhalte. Er würde vor Eifersucht eingehen. Ich stutze. Vielleicht wäre das die Lösung, dann würde er sich eventuell endlich bei mir melden. Dann fällt mir ein, dass mein Handy sich in den Fingern von Mutters gutem Bekannten befindet. Beim Anblick des Prachtexemplars von einem Mann in der Lobby war mir diese Tatsache glatt entfallen. Allerdings bemerke auch ich dann endlich, dass ich den Glatzkopf schon die ganze Zeit anstarre, als wäre ich auf das achte Weltwunder gestoßen.
„Bonne nuit“, begrüßen mich der schöne Glatzkopf und der rothaarige Rezeptionist wie aus einem Munde. Letzterer erinnert mich an den deutschen Tennisspieler Boris Becker. Ich glaube allerdings kaum, dass sich eine der weiblichen Hotelangestellten dazu bereitschlagen lassen wird, mit ihm in einer Besenkammer zu verschwinden.
„ Gute Nacht“, grüße ich zurück. Nachdem ich nun einen Grund habe, den Glatzkopf anzusehen, wird mir schmerzlich bewusst, dass ich ungekämmt bin und mich nicht abgeschminkt habe, bevor ich ins Bett stieg. Vor dem Verlassen des Zimmers habe ich noch nicht einmal in den Spiegel gesehen, um über das genaue Ausmaß der Katastrophe im Bilde zu sein. Zugleich klingt die wache Stimme des Glatzkopfes in meinen Ohren nach, wie ein Hauch von Samt und Seide. Gänsehaut bildet sich auf meinem Körper. Was für eine Stimme! Damit könnte der Typ Hörbücher aufnehmen. Wenn er singen könnte, hätte er gute Aussichten, in die Fußstapfen von Julio Iglesias zu treten. Der Mann ist ein Gott.
Noch bevor meine vermutlich mit Mascara verschmierten Augen nach einem Spiegel oder wenigstens einer spiegelnden Scheibe Ausschau halten, scannen sie die Finger des schönen Mannes. Kein Ehering, nicht mal ein Verlobungsring, nur eine Art Siegelring. Sowas mag ich eigentlich gar nicht, aber an seinen gepflegten Händen sieht der affige Ring einfach perfekt aus, als wären solche Ringe nur für ihn erfunden worden. Gleichzeitig bin ich erschüttert über die Richtung, die meine Gedanken nehmen. Und ich hatte immer geglaubt, dass mir so etwas nicht passieren könnte, dass ich quasi die personifizierte Treue sei. Aber nichts da. Angesichts von so viel Männlichkeit bin ich hin und weg. Soviel Selbstkritik muss sein. Diesen Mann würde ich garantiert nicht von der Bettkante stoßen. Ganz im Gegenteil. Angesichts meiner Gedanken schießt mir das Blut ins Gesicht.
„Wo kommen Sie denn her?“, fragt mich der Glatzkopf, während ich krampfhaft überlege, an wen er mich erinnert, um die jugendfreien Bilder aus meinem Hirn zu vertreiben. Die meisten Menschen erinnern mich entweder an einen Schauspieler oder an einen Sportler. Normalerweise fallen mir die Namen immer ein.
Ich zeige auf den Aufzug und lege den Zimmerschlüssel auf die Theke. „Als meine Mutter und ich gestern Abend eingecheckt haben, war eine blonde Frau hier“, sage ich mit einer Stimme, die ganz fremd klingt.
„ Dénise“, in den wasserblauen Augen des Rothaarigen hinter der Rezeption blitzt es freudig auf, „sie hat diese Woche Spätschicht, ich
Weitere Kostenlose Bücher