Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
„Das war doch gar nicht so schwer, mein Hübscher. Äh, habe ich dir übrigens schon verraten, wem du ähnlich siehst?“
„ Langsam wird’s peinlich, Jade“, ertönt meine Mutter.
Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, dass Antoine sie noch immer am Arm festhält, während sie wie ein Hund an der Leine immer wieder nach vorn strebt.
„Jetzt hat Mathis aber einen Kuss verdient“, fordert Antoine.
„Stimmt“, bestätige ich. „Jetzt wissen wir nicht nur, wie spät es ist, sondern wir wissen auch noch, wo wir sind. Darum bekommt der süße Mathis jetzt einen Kuss von mir. Wie ich es versprochen habe. Ich halte immer meine Versprechen.“
„Nicht nötig .“ Mathis tut, als wäre er total genervt, aber das nehme ich ihm nicht ab, denn obwohl es eine Leichtigkeit für ihn wäre, mich abzuschütteln, bleibt er, wo er ist, während ich meine Hände auf seine Schultern lege, mich auf die Zehenspitzen stelle, was höllisch weh tut, und meine Lippen spitze.
Blöderweise weicht er mir aus. Immer wenn meine Lippen seine fast berühren, ruckt er mit dem Oberkörper ein wenig nach hinten. Aber irgendwann ist Schluss, wenn er nicht auf dem Grill landen will. Und dann werde ich meine Lippen auf diese altrosafarbenen, fein geschwungenen Männerlippen pressen, auf denen sich ganz viele feine, aufrechte Fältchen abzeichnen. Über diesen Lippen und darunter ist nicht ganz so helle Haut wie meine, deutlich heller als die von José und dunkler als die von Clé. Aus dieser Haut gucken ganz feine, schwarze Bartstöppelchen heraus, die auf meinem Kinn kitzeln.
„Jade, du machst dich lächerlich“, stöhnt meine Mutter , genau in dem Moment, in dem Mathis mir nicht länger ausweichen kann, und meine Lippen auf seinen landen.
„ Hmh“, mache ich. Die Lippen fühlen sich weich an. Und warm. Sie schmecken nach Grillwurst. Am liebsten würde ich mit der Zunge darüberfahren, sie abschlecken und ausprobieren, wie ein richtiger Kuss von Mathis schmeckt, aber das hat er nicht verdient.
„Das reicht“, sage ich bestimmt und nehme Hände und Lippen von ihm. Mutter und Mathis atmen hörbar auf. Ich räuspere mich, doch jetzt bin ich längst nicht mehr so cool wie vor dem Kuss. Scheiße. Was mache ich denn hier? Hektisch taste ich nach meinem Wein. Dabei streift mein Blick Mathis‘ Gesicht. Aus leicht zusammengekniffenen Augen sieht er mich an und mir jagt ein Schauder über den Rücken. Verdammt, das darf jetzt nicht wahr sein. Mit einem Ruck reiße ich mein Glas an die Lippen und trinke es in einem Zug leer.
„Frage 3“, verkünde ich nicht mehr ganz so selbstsicher wie eben. Vorsichtshalber weiche ich Mathis‘ Blick aus. „Warum sind Mama und ich hier bei euch?“
Mathis räuspert sich. Dann mustert er mich von oben bis unten, was ich aber nur aus den Augenwinkeln heraus wahrnehme, weil ich mich vor seinem Blick drücke. Schließlich quetscht er sich an mir vorbei und geht um mich herum, was ganz leicht geht, da ich ihn längst nicht mehr festhalte.
„Ende der Fragestunde“, brummt er. „Wenn du mehr wissen willst, knutsch‘ Onkel Antoine ab. Will noch jemand ein Würstchen oder einen Spieß?“
Mit heruntergeklappter Kinnlade sehe ich dem hoch gewachsenen Typen zu, wie er anfängt aufzuräumen. Nein, Hunger habe ich keinen mehr. „Ein Schlückchen von dem guten Roten könnte ich noch vertragen, wenn es nicht zuviel verlangt ist, Mathis.“
Er ignoriert mich und schaltet einen Heizpilz ab.
„ Ist die Party beendet?“, hallt Mutters Stimme über den Hof.
Antoine wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. Er trägt ein ganz altmodisches Ding am Handgelenk, mit einem abgenutzten , braunen Lederarmband. Irgendwie passt die alte Uhr nicht zu seiner tadellosen Kleidung. Ich würde sie mir gern näher ansehen, doch Mutter hat nicht vor, mich noch irgendetwas tun zu lassen. Schon von weitem sieht sie, dass ich auf Antoine zuschieße, und stellt sich mir in den Weg.
„Feierabend für heute?“, fragt sie nochmals nach.
„Feierabend“, nickt Antoine und stellt den zweiten Heizpilz aus.
„ Dann gehen wir jetzt“, verkündet Mama streng. Sie umklammert meine rechte Hand, als ob sie mir sämtliche darin befindliche Knochen brechen wollte. Das kann sie ruhig lassen. Ich wage ohnehin nicht, mich zu wehren. Plötzlich ist mir nämlich wieder speiübel und mir fällt die Schüssel ein, die noch im Waschbecken steht. Vielleicht ist es auch umgekehrt und mir ist schlecht, weil mir die Schüssel einfällt.
„Moment
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