Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
vorher ein Frühstück willst oder ob du mit dem Essen lieber bis nachher wartest.“
Wie bitte? Spinnt der?
„Wenn es jetzt nichts zum Frühstück gibt, warum musste ich dann bis hierher laufen? Ich habe Hunger.“
„Ich sagte ja: Deine Entscheidung. Ich nehme an, du weißt, wie ein Kühlschrank aussieht.“ Er pflanzt sich auf einen der Schemel und beginnt auf einem iPhone herumzudrücken. Sofort fällt mir Mutters Mobiltelefon ein, denn das ist ebenfalls weiß.
„Was ist, wenn ich jetzt doch nichts essen will?“, frage ich in herausforderndem Ton, während meine Augen an dem Handy kleben. Mathis zuckt nur mit den Schultern. Also gehe ich zu dem zweitürigen Kühlschrank, der mindestens fünfzig Jahre auf dem Buckel hat und randvoll ist mit Leckereien, die einem Feinkostladen zur Ehre gereichen würden. Beim Anblick des in bunte Pfefferkörner gewälzten Lachses, läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
„Falls du was Salziges brauchst , das außerdem sauer ist“, murmelt Mathis, ohne den Kopf zu heben, „in der Speisekammer steht ein Fass mit eingelegten Heringen.“
„Wie kommst du darauf, dass ich was Salziges brauche?“, gebe ich zurück, während ich den Lachs nicht nur mehr liebevoll betrachte, sondern ihn fast schon glücklich aus seinem Regal nehme und auf ausgestreckten Armen zum Tisch trage. Solch eine Leckerei bekomme ich nicht oft zu essen.
„Du warst gestern ziemlich blau , wenn ich das mal so sagen darf“, grinst der Verbrecher.
„ Für einen, dem man jedes Wort aus der Nase ziehen muss, redest du plötzlich ziemlich viel“, schnappe ich, bevor ich behaupte, dass er oder sein feiner Onkel mir irgendeine Schweinerei in den Wein gekippt haben muss.
„Nach der Äther-Betäubung hast du den Alk nicht vertragen.“ Mathis legt das iPhone auf den Tisch und hebt den Kopf. Seinem hämischen Grinsen entnehme ich, dass er ganz genau weiß, dass ich es mir am liebsten sofort unter den Nagel reißen würde.
Wenn ich Karate könnte, wie meine Mutter, dann wüsste ich, was ich jetzt täte. Aber vielleicht kann ich meinen Bewacher ablenken.
„Wo ist denn diese Speisekammer?“, frage ich mit meinem Clément-erprobten Augenaufschlag. Doch so blöd, aufzustehen, das iPhone auf dem Tisch zu lassen und sich von mir in der Speisekammer einsperren zu lassen, ist Mathis nicht.
Träge hebt er seinen muskulösen Arm und zeigt auf eine Tür an der Wand hinter mir. Dabei mustert er mich wieder aus seinen halb zusammengekniffenen Augen, aus denen mich die Erkenntnis, dass er mich durchschaut, nur so anspringt. Jetzt so zu tun, als würde ich die Tür nicht sehen, wäre allzu dämlich. Und, ehrlich gesagt, habe ich keine Lust in eine Speisekammer zu gehen, in der es nach Heringen stinkt. Da esse ich doch lieber ein Stück von dem schönen Lachs.
Wohlweislich, dass mich doch wieder nur ein gelangweilter Fingerzeig erwartet, öffne ich einen Schrank nach dem anderen, um eine n Teller und Besteck zu finden. Doch dieses Mal überrascht mich der zwar teuflisch gutaussehende, aber ebenso muffelige Entführer, indem er von seinem Hocker hochspringt, den richtigen Schrank öffnet und mir wortlos Teller, Tasse, Messer und Gabel in die vor Überraschung ausgestreckten Hände drückt.
„Danke“, stammele ich perplex und verziehe den Mund zu einem Lächeln. Fast gewinne ich den Eindruck, dass Mathis sich zu mir vorbeugen will, doch da habe ich mich anscheinend getäuscht. Ehe ich mich versehe, sitzt er wieder am Tisch und tippt auf dem Handy herum, obwohl er das doch längst aufgegeben hatte.
Ich schneide ein Stück von dem Lachs ab und schiebe es mir in den Mund. Der Lachs schmeckt wie er aussieht: zart und trotzdem würzig. „Was machst du da eigentlich? Spielst du Online-Games?“, frage ich genießerisch, bekomme aber mal wieder keine Antwort. Ich nehme noch einen Bissen. „Gehört das iPhone dir oder meiner Mutter?“ Wieder keine Antwort, kein Schulterzucken, nichts. Was für ein Idiot! „Ich mag Männer, die ihre Schnauze halten. Dann kommt man wenigstens selbst mal zu Wort. Meistens geben die Typen doch nur ödes Zeug von sich und als Frau ist man genötigt, ihnen gebannt an den Lippen zu hängen und so zu tun, als würde einen das Gerede über Fußball und ihren Job interessieren, obwohl man kurz vor dem Koma steht. Angeblich reden Frauen deutlich mehr als Männer, aber bisher habe ich immer nur das Gegenteil erlebt. Zum Beispiel als ich Clément kennenlernte. Er hat geredet, geredet, geredet.“
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