Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
gerade am anderen Ende des Abteils, da steht der Blödmann bereits wieder vor mir und erzählt mir, dass ich mein Handy entsorgen soll, wenn ich nicht will, dass die Bullen jeden meiner Schritte verfolgen.
„Ach was?“, keife ich ihn an. „Und was ist dann? Dann stehe ich da wie eine, die bemerkt hat, dass sie von der Polizei bewacht wird und das nicht will, weil sie etwas zu verbergen hat. Ich habe aber nichts zu verbergen. Ich nicht. Verpiss’ dich und richte deinem feinen Freund aus, dass er mich in Ruhe lassen soll!“
„Ich verstehe ja deinen Unmut ...“, beginnt er wieder mit der Verständnisnummer.
„ To the left“, knurre ich so gefährlich wie das sonst nur meine Mutter kann.
„Wie du willst . Tut mir leid, wenn ich dich belästigt habe. Ehrlich. Vielleicht sieht man sich. Es würde mich freuen.“ Er tippt sich an die bemützte Stirn.
„ Leb’ wohl“, knurre ich und starre zum Fenster hinaus.
An der nächsten Haltestelle verlässt mein „Beschützer“ den Zug. Das englische Verpiss-dich hat er verstanden.
Dummerweise geht es mir kein bisschen besser, nachdem ich Gabriel Riboult abgeschüttelt habe. Mir will nicht aus dem Kopf, dass ich mit Hilfe meines Handys ständig überwacht werde. Was soll das? Bin ich etwa im Besitz von Informationen, von denen ich selbst nicht weiß, dass ich sie habe? So war das doch in Staatsfeind Nummer 1.
Jetzt hält mich nichts mehr. Ich krame den gepolsterten, braunen Umschlag aus meiner Tasche und reiße ihn auf.
Die angekündigte Visitenkarte mit Mathis’ Pariser Adresse purzelt mir entgegen. Es ist eine vielleicht fünf mal fünf Zentimeter kleine, quadratische Karte zum Aufklappen, die außen dasselbe Muster aufweist wie Mathis’ Goldbilder. Innen befinden sich die Kontaktdaten. Demnach wohnt Mathis am Place des Vosges, mitten im Künstlerviertel von Marais. Eine noble Adresse für einen nicht ganz so noblen Typen. Aber wenn Gabriel Riboult im selben Haus wohnt, dann ist sowieso alles klar. Dann geht da die Pariser Elite ein und aus. Leute mit Kunstverstand. Und mit reichlich Kohle.
Die Visitenkarte ist allerdings noch der uninteressanteste Teil in dem braunen Umschlag. Wesentlich spannender sind das weiße iPhone sowie der Briefbogen, den ich mit fliegenden Fingern auseinander falte.
Auf dem Papier steht eine Nachricht von Mathis. Handschriftlich. Richtiggehend hingesaut und ich habe reichlich Mühe, die krakeligen Buchstaben zu entziffern.
Liebe Jade! Du kannst Dir vielleicht nicht vorstellen, wie leid es mir tut, dass wir uns unter diesen unmöglichen Umständen kennenlernen. Sei versichert, dass es mir unendlich leid tut. Es war alles ganz anders geplant, aber ich möchte nicht um Verständnis betteln. Wie man sagt, sind es nicht Worte, sondern Taten, die zählen. Wenn Du mit Deiner Mutter telefonieren willst, ohne dass die Polizei mithört, benutze das weiße iPhone (mein Onkel und ich hören ebenfalls nicht mit). Die Nummer Deiner Mutter ist eingespeichert. Das Passwort zur Entriegelung des iPhone trägt den Namen eines Pferdes. ;) Mathis.
P.S. Wenn Du Dir die Polizei und andere Leute, die Dich anhand Deines Handys orten, dauerhaft vom Leib halten willst, solltest Du erwägen, Dein eigenes Handy zu entsorgen und außer den im weißen iPhone eingespeicherten Nummern niemanden anrufen, insbesondere keine Nummern, die Du in Deinem eigenen Handy gespeichert hast.
Meine Hand, die den Brief hält, sinkt schlaff in meinen Schoß. Was soll das nun wieder? So langsam fühle ich mich, als wäre ich in einem Zeugenschutzprogramm gelandet.
Ich entriegele das iPhone, indem ich Blacky eingebe. Es funktioniert auf Anhieb. Dann durchforste ich das Telefonbuch. Es sind exakt drei Rufnummern eingespeichert: Mama, Papa, Mathis. Na, super. Dummerweise möchte ich mit keiner dieser Personen sprechen. Ich schnüffele noch ein wenig in dem weißen iPhone herum. Als ich nichts interessantes finde, schalte ich es aus.
Normalerweise rattert mein Gehirn in derartigen Situationen wie verrückt, wobei ich derartige Situationen ja nun nicht allzu häufig erlebe. Eigentlich erst seit Mama mich auf den unsäglichen Wochenend-Trip eingeladen hat. Aber jetzt hat mein Hirn Pause. In meinem Kopf regt sich rein gar nichts. Ich stecke das iPhone, die Karte und den Brief in den Umschlag zurück. Alles zusammen wandert wieder in meinen Shopper, der wiederum auf dem freien Sitz neben mir landet. An der nächsten Haltestelle allerdings sticht mich der Hafer.
Einer
Weitere Kostenlose Bücher