Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
plötzlichen, inneren Eingebung folgend, steige ich aus, wechsele auf das entgegengesetzte Gleis und steige in den nächsten Zug, der kommt. Dort verstecke ich unauffällig mein Handy in einem Abfalleimer, bevor ich am nächsten Halt wieder den Zug verlasse, erneut auf die andere Gleisseite wechsele und den nächsten Zug nach Meaux besteige. Dieser kleine Spaß verbessert meine Laune schlagartig. Auf alle Fälle sind meine Verfolger auf diese Weise wohl eine ganze Weile beschäftigt.
Eine Stunde später erreiche ich den Bahnhof in Meaux. Da der Schlüssel des Jeeps sich in Mamas Besitz befindet, muss ich mir wohl oder übel ein Taxi genehmigen, das mich bald darauf vor unserem Haus in Monthomé absetzt. Ich drücke dem Taxifahrer meine letzten zwanzig Euro in die Hand und steige aus.
***
Obwohl ich bloß drei Tage weg war, habe ich das Gefühl, ein halbes Jahr auf Reisen gewesen zu sein. Mein Elternhaus, beziehungsweise Mutterhaus kommt mir fremd vor, was kaum daran liegen kann, dass es darin totenstill ist. Das ist es auch sonst, da Mutter ja pausenlos arbeitet und dabei ihre Ruhe braucht. Trotzdem ist sie dann da. Und das gibt mir, ob ich das nun zugeben will oder nicht, eine gewisse Sicherheit.
Um das seltsame Gefühl, das sich in mir breit macht, zu unterdrücken, schalte ich überall das Licht an und drehe das Radio in der Küche auf volle Lautstärke. Dann trampele ich übertrieben laut die Treppe rauf und räume in meinem Schlafzimmer meine Tasche aus. Die Schmutzwäsche bringe ich in die Waschküche. Aus lauter Verzweiflung setze ich sogar die Waschmaschine in Gang und gehe anschließend in die Küche, um mir ein Omelett zuzubereiten. Nachdem ich pappensatt bin, weiß ich nicht mehr, was ich tun soll. Ich kann jetzt nicht arbeiten. Dazu fehlt mir die Konzentration. Und obwohl ich müde bin, kann ich doch jetzt noch nicht schlafen. Es ist nicht mal neun Uhr abends. Trotzdem haue ich mich auf mein Bett und zappe mich durch die Programme. Als mich auch das Fernsehprogramm nicht fesselt, fällt mein Blick auf das weiße iPhone, das ich mitten auf mein Bett geworfen habe. Im letzten Moment kann ich mich zurückhalten, meine Mutter anzurufen. Da wollte mein altes, krankhaftes Harmoniebedürfnis doch wieder einmal durchbrechen. Aber dieses Mal habe ich es besiegt. Was mich allerdings wundert, ist die Tatsache, dass Mama überhaupt nicht versucht, mir mit Anrufen auf den Wecker zu gehen. Oder sollte Mathis ihr etwa vorenthalten haben, dass ich mit einem abhörsicheren iPhone unterwegs bin? Beinahe verspüre ich so etwas wie Dankbarkeit. Aber nur beinahe. Der Kerl ist und bleibt ein Einbrecher und Entführer, der mit einem gesuchten Kunsträuber unter einem Dach lebt und mir einen Freund auf den Hals hetzt, der mir nachspioniert. Da kann er mir noch so schöne Orgasmen verpassen, aber mit Einbrechern und Entführern will ich nichts zu tun haben.
Die Nachrichtensperre, die ich mir in Bezug auf meine Mutter auferlegt habe, muss aber nicht auch für Clément gelten. Ich soll mich bei ihm melden, hat er in einer SMS geschrieben, die ich mir leider nicht noch einmal durchlesen kann, weil sich mein altes Handy auf dem Weg nach Paris befindet.
Binnen weniger Minuten befinde ich mich, frisch geduscht und in frischen Klamotten, mit dem Fahrrad unterwegs zu Clément.
Als ich vor seinem neuen Haus ankomme, sind meine Hände stocksteif gefroren und meine Nase läuft. Aber die Fenster von Cléments Wohnung sind erleuchtet. Also ist er daheim.
Ich lehne mein Rad gegen die Hauswand und drücke auf die Klingel, die Clément inzwischen mit seinem Namen versehen hat. Es dauert nicht lange bis der Türsummer ertönt.
Noch vor wenigen Tagen wäre es mir im Leben nicht in den Sinn gekommen, zu Clément zu fahren. Schon gar nicht nach einem Streit. Da hätte ich so lange geschmollt, bis er vor mir zu Kreuze gekrochen wäre. Meine Harmoniesucht bezieht sich dann doch hauptsächlich auf das Verhältnis zu meiner Mutter und zu irgendwelchen Leuten, die ... Egal. Jedenfalls nicht auf Clément. Aber der steht auch nicht in seiner Tür.
„Hélène!“
„Jade, wie entzückend“, grinst sie in einer derart unverschämten Weise, dass ich beinahe auf dem Absatz kehrt gemacht hätte, hätte nicht Clément aus den Untiefen dieser noch immer aus allen Poren nach Farbe stinkenden Wohnung gefragt, wer vor der Tür stünde.
„Deine Ex“, brüllt die blonde Hélène, die meine Abwesenheit ganz offensichtlich schamlos ausgenutzt hat.
„
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