Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
Hause.
Ein Päckchen Schlaftabletten hätte ich mir kaufen sollen, aber am Bahnhof habe ich bloß einige Fläschchen Rotwein mit Schraubverschluss ergattern können. Als ich die erste Flasche aus meiner Tasche hole, fällt mir der Gefrierbeutel mit den Haaren meines mutmaßlichen Erzeugers in die Hand, die Mathis mir heute Mittag gegeben hat. Und damit läuft mein ganzes, aus den Fugen geratenes Leben wieder vor meinem inneren Auge ab. Dagegen hilft einfach nur noch billiger Fusel. Schade, dass niemand neben mir sitzt, mit dem ich anstoßen könnte. Wirklich schade.
„ Santé, Jade“, proste ich mir selbst zu. „Auf eine gute Heimkehr! Auf dass dein friedliches Dorfleben wieder beginnt!“
Kapitel 3
Was wäre ich ohne mein für mich eigentlich viel zu teures Handy? Während die Bahn mit mir durch Paris rast, surfe ich im Internet nach einem Institut, das Vaterschaftstests durchführt. Auf diese Weise beschäftige ich mich wenigstens mit etwas Nützlichem, anstatt im Selbstmitleid zu schwelgen. So leicht hätte ich mir das mit den Vaterschaftstests dann allerdings doch nicht vorgestellt. Schon die erste Suchanfrage liefert Tausende von Treffern. Anscheinend hat die halbe Nation Probleme wie ich. Was soll man davon halten? Auf jeden Fall fühle ich mich nun nicht mehr so allein.
Ich bestelle einen Test für knapp 400 Euro, mit den Kreditkartendaten meiner Mutter, die ich auswendig kenne. Innerhalb der nächsten Tage erhalte ich ein Päckchen an meine Adresse in Monthomé. Es gibt auch wesentlich billigere Tests, die mit Speichel funktionieren, aber ich habe ja bloß Haare. Egal. Mutter zahlt, was nur gerecht ist.
Zufrieden lehne ich mich zurück und öffne das zweite Fuselfläschchen. Auf mich, die ich einem Flachleger wie Monsieur le Commissaire die Stirn geboten habe!
Da die Bahn noch unterirdisch fährt, ist es nicht sonderlich erbaulich, zum Fenster hinauszusehen. Darum lasse ich meinen Blick über die Leute schweifen, die in meinem Abteil sitzen. Im Studium haben wir das häufiger geübt. Wir sind stundenlang in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Paris gefahren, haben Leute beobachtet und dann aufgrund unserer Beobachtungen Filmfiguren entwickelt. Aber von den hier Anwesenden kommt für einen Liebesfilm höchstens eine ältere Dame mit bläulichen Puderhaaren in Frage, als Oma der Heldin.
Die Ausbeute ändert sich nach dem nächsten Halt.
Da steigt ein langer Typ ein, so ein Obercooler, mit einer riesigen Wollmütze auf dem Kopf und einer dieser neuerdings modernen, superengen Hosen, die am Arsch locker hängen und durch die man unten kaum die Füße gesteckt kriegt. Er hält den Kopf gesenkt und fuchtelt mit dem Handy herum. Von seinem Gesicht kann ich nichts sehen. Ich glaube nicht an Eingebungen, Vorsehungen, Telepathie und ähnlichen Hokospokus, aber irgendwie habe ich beim Anblick dieses Typen auf Anhieb ein komisches Gefühl.
Und anscheinend trügt mich mein Gespür nicht. Obwohl mehr als die Hälfte der Plätze in dem Abteil frei sind, setzt er sich direkt mir gegenüber. Seine gigantischen Füße, die in schwarzen Barfußschuhen mit neongrünen Sohlen und gleichfarbig leuchtenden Schnürsenkeln stecken, stellt er links und rechts neben meine Füße.
Ich hasse Leute, die anderen Leuten den Platz wegnehmen. Ungemütlich drehe ich mich ein wenig in Richtung Fenster. Bei den herrschenden Lichtverhältnissen (draußen stockdunkel, innen hell), wird die Fensterscheibe zu einem Spiegel. Leider erkenne ich darin nur die riesige Wollmütze und die Nasenspitze.
Exakt in dem Moment, in dem die Türen zufahren und die Metro wieder losrumpelt, hebt der Mützenträger sein Handy. Und ich gucke direkt in das kleine, runde Loch auf der Rückseite. Und da macht es Ratsch-Ratsch.
Im ersten Augenblick bin ich sprachlos. Doch dann wird mir klar, was der Typ da gerade eben gemacht hat. Er war mir doch gleich so komisch vorgekommen.
„Was soll der Scheiß!“, schnauze ich ihn an und schnappe ihm sein Handy aus der Hand. Seit dieser unsäglichen Schlittenfahrt weiß ich, wie man so etwas anstellt.
„Das war keine Absicht“, brummt er .
Er will sich das Handy zurückholen, aber da wende ich ihm bereits den Rücken zu und sehe mein Gesicht auf dem kleinen Display. Nebst dem Hinweis „Foto versendet an Leo“.
Leo? Da klingelt doch was bei mir. Und zwar ganz laut und deutlich. Auf meinem eigenen Handy befindet sich doch eine SMS von einem Leo.
„Wer ist Leo?“, keife ich den Typen mit der Wollmütze an.
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