Gefaehrliche Begegnungen
aufgehalten und ihr ihren Rucksack gereicht. Dann strich er ihr leicht mit seinen Lippen über die Wangen, so als würde er sich von seiner Schwester verabschieden, und ließ sie auf dem Bürgersteig vor dem beeindruckenden Bibliotheksgebäude zurück.
Wie auf Autopilot geschaltet, fand Mia irgendwie den Weg hinein und setzte sich in einen der weichen Armstühle, in denen sie am liebsten lernte. Sie spulte ihr Bewegungsprogramm weiter ab, nahm ihren Mac heraus und legte ihn auf den Beistelltisch. Dabei stellte sie verwundert fest, dass ihre Hand zitterte, ihre Fingernägel bläulich schimmerten und bemerkte außerdem, wie sich in ihr eine innere Kälte ausbreitete.
Schock, realisierte Mia. Sie musste sich in einem leichten Schockzustand befinden.
Und aus irgendeinem Grund machte sie das wütend. Ja, sie fühlte sich, als hätte er sie mit seinen Worten im Auto ausgezogen. Sie fühlte sich entblößt und verletzlich und würde sie jetzt zu sehr über den Sinn seiner letzten Worte nachdenken, würde sie wahrscheinlich anfangen zu rennen und zu schreien. Aber sie war ja wohl kaum eine prüde Jungfrau – trotz ihrer mangelnden Erfahrungen – und deshalb ließ sie es auch nicht zu, dass ein paar deutliche Sätze sie derart aus der Fassung brachten.
Entschlossen stand Mia auf, ließ den Rucksack als Platzhalter im Sessel zurück – niemand würde einen so alten Laptop klauen – und ging zum Café, um sich ein heißes Getränk zu besorgen. Auf dem Weg dahin machte sie einen Zwischenstopp in den Toilettenräumen. Während sie sich gerade Wasser ins Gesicht spritzte, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen, fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild. Das gewohnt blasse Gesicht, das sie anstarrte, hatte sich minimal verändert, es sah irgendwie weicher und hübscher aus. Ihre Lippen wirkten voller, als seien sie dort, wo er sie berührt hatte, leicht angeschwollen. Ihre Augen sahen strahlender aus und ihre Wangen hatten einen Hauch von Farbe.
Er hat Recht, dachte Mia. Sie war in seinem Auto unglaublich erregt gewesen, allein seine Worte hatten bei ihr fast einen Orgasmus ausgelöst – trotz ihres Schocks und ihrer Angst. Was das über sie aussagte war nichts, was sie zu detailliert analysieren wollte. Selbst jetzt war ihre Unterwäsche immer noch feucht und tief in ihren Lenden spürte sie ein leichtes Pulsieren, wann immer sie an die Fahrt in der Limousine zurück dachte.
Mia atmete tief ein, straffte ihre Schultern und verließ die Toilette. Ihr Sexualleben mit all seinen außerirdischen Offenbarungen musste warten, bis die Arbeit fertig und abgegeben war.
Es gab für sie gerade nur zwei Prioritäten: einen riesigen Kaffee und ein paar Stunden ungestörte Zweisamkeit mit ihrem Mac.
* * *
Das Klingeln an der Tür und ein erfreuter Aufschrei ihrer Mitbewohnerin weckten Mia zwölf Minuten vor dem Klingeln ihres Weckers auf.
Stöhnend drehte sie sich um, legte sich ihr Kissen über ihren Kopf, und hoffte, dass die Geräuschquelle verschwinden würde und sie noch ein paar Minuten kostbaren Schlafs bekommen könnte.
Sie war erst um drei Uhr morgens nach Hause gekommen, nachdem sie endlich die teuflische Hausarbeit fertiggestellt hatte. Unglücklicherweise hatte sie Montags einen Kurs um 9 Uhr morgens, was bedeutete, dass sie diese Nacht weniger als fünf Stunden Schlaf bekommen würde. Aber trotzdem hatte ihr übermüdetes Gehirn sich geweigert, die Ereignisse des Tages auszublenden, und ihren Schlaf mit dunklen, erotischen Träumen durchwoben. Träume, in denen sie sein Gesicht sah, spürte, wie seine Berührungen ihre Haut verbrannten und seine Stimme hörte, die ihr Beides versprach: Schmerz und Ekstase.
Und jetzt konnte sie sich nicht mal über ein paar Momente friedlichen Schlafs freuen, da Jessie ihre Aufregung über was auch immer da an der Tür war, nicht zügeln konnte.
»Mia! Mia! Rate mal.« Jessie sang schon fast, als sie an Mias Schlafzimmertür klopfte.
»Ich schlafe!« knurrte Mia und wollte Jessie zum ersten Mal in ihrem Leben eine klatschen.
»Ach komm, der Wecker geht doch sowieso gleich an. Steh auf Dornröschen, strahle und schau, was du von deinem Traumprinzen bekommen hast!«
Mia schoss in ihrem Bett nach oben, alle Spuren von Müdigkeit vergessen. »Wovon sprichst du?« Sie sprang aus dem Bett, riss die Tür auf und stand ihrer ekelhaft fröhlichen Mitbewohnerin gegenüber, deren Augen leuchteten.
»Das!« Mit einem breiten Grinsen, zeigte Jessie auf eine große Vase mit
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