Gefaehrliche Begegnungen
wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren, würde es nie wieder das Gleiche sein. Er hatte sie schon viel zu stark geprägt. Mit jedem Tag, der verging, begehrte sie ihn mehr und sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers nach ihm, wenn sie nicht bei ihm war. Er musste sie einfach nur anlächeln oder sie mit diesen bernsteinfarben Augen anschauen und sie war bereit für ihn, ihr Körper wurde weich und zerfloss in Erwartung des seinen.
Die ruhige, rationale Mia Stalis der letzten paarundzwanzig Jahre war durch ein unsicheres emotionales Wrack ersetzt worden. Wenn sie mit Korum zusammen war, seine Berührung spürte und sich in seiner Gegenwart sonnte, fühlte sich Mia, als würde sie schweben. Sobald sie aber weg ging, füllte sie sich mit Selbsthass und erdrückender Angst – Angst davor, beim Spionieren erwischt zu werden, Angst davor, nicht in der Lage zu sein, ihren Auftrag auszuführen, bevor er ihrer überdrüssig wurde und vor allem die Angst davor, ihn zu verlieren. Das war unvermeidbar, so viel wusste sie. Selbst wenn er nicht der Feind wäre, und selbst wenn seine Rasse nicht ihre eigene versklavt hätte, würde es keine Zukunft für sie geben. Sie waren verschiedene Spezies und als wäre dieses Hindernis nicht schon groß genug, war ihre Lebenserwartung die einer Fruchtfliege verglichen mit der seinen. In ein paar Jahren – höchstens einem Dutzend – würde bei ihr der unvermeidliche Alterungsprozess einsetzten und ihre Anziehungskraft auf ihn würde unweigerlich verblassen, vorausgesetzt ihre Beziehung würde überhaupt so lange bestehen bleiben.
In ihren schwärzesten Momenten fragte sich eine kleine hinterlistige Stimme in ihrem Hinterkopf, ob es wohl wirklich so schlimm wäre – sein Charl in Costa Rica zu sein. Würde er sie dort anders behandeln als heute und hier? Wenn nicht, wen interessierte es denn, in was für eine Schublade ihre Beziehung gesteckt werden würde, so lange sie nur weiterhin mit ihm zusammen sein konnte. Danach würde sie angewidert von sich selber sein, angeekelt, dass sie so etwas überhaupt in Erwägung ziehen konnte.
Trotz all ihrer Bemühungen bestens gelaunt zu bleiben, hatte ihre Familie angefangen zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Ihre Mutter schob es auf den Stress durch das nahe Bevorstehen der Examen, aber ihr Vater war aufmerksamer. »Hast du jemanden getroffen, Süße?« fragte er sie eines Tages ganz unerwartet und brachte Mia damit völlig aus dem Konzept. Sie hatte das natürlich vehement abgestritten, aber sie konnte sehen, dass er immer noch seine Zweifel hatte. Von ihrer ganzen Familie war ihr Vater der einzige, der die Untertitel von Mias Stimmungen lesen konnte und sie war sich sicher, dass ihr künstliches fröhliches Lächeln kaum ihr inneres Durcheinander vor seinem scharfen Blick verbarg.
Die einzigen Momente, in denen sie sich wie die alte Mia fühlte, war wenn sie sich in der Bücherei verkroch und sich ins Lernen vertiefte. Das Ende des Semesters näherte sich mit Riesenschritten und Mias Arbeitspensum hatte sich durch Arbeiten und Examen, die sich in der nahen Zukunft abzeichneten, verdreifacht. Unter normalen Umständen wäre Mia von dem ganzen Stress angespannt und reizbar gewesen. Im Moment war das Lernen allerdings eine willkommene Abwechslung zu dem Drama ihres restlichen Lebens und sie brütete gerne über den Lehrbüchern und übte lineare Regression wann immer sie die Gelegenheit dazu hatte.
Die ersten Maitage überraschten New York durch ungewöhnlich warmes Wetter für diese Jahreszeit und die ganze Stadt erwachte zum Leben. Die Einwohner zogen sich ihre neuen Sommersachen an und die Touristen fielen scharenweise ein.
So sehr Mia sich auch den anderen Studenten angeschlossen hätte, die sich mit ihren Büchern auf dem Rasen ausbreiteten, sie brauchte vier Wände, um sich zu konzentrieren. Da Korum sie immer widerwilliger in die Bibliothek gehen ließ, weil sie dazu tendierte dort die Zeit zu vergessen, versuchte Mia, mehr in seinem Penthouse zu Lernen. Er stellte ihr einen Schreibtisch und einen bequemen Klubsessel in ein kleines sonniges Zimmer neben seinem eigenen Büro – der Ort, an dem er sich mit Leeta und Resav getroffen hatte – und sie hielt sich jetzt dort stundenlang auf.
Sie fing auch langsam an, sich Gedanken über den Sommer zu machen. Nach den Abschlüssen sollte sie eigentlich nach Hause nach Florida fliegen, um ihre Eltern zu besuchen. Sie hatte das Glück gehabt, in Orlando ein Praktikum als Berater
Weitere Kostenlose Bücher