Gefährliche Begierde
Haus verlassen, Chase, und zwar sofort.«
Chase war von der ungewöhnlichen Schärfe des Befehls verblüfft. »Ich warte, bis Miranda kommt«, widersprach er.
Er hörte, wie Lorne sich vom Hörer abwandte und etwas zu Ellis sagte. »Hören Sie, wir haben hier eine Lawine von Beweisen. Falls Annie Berenger zuerst auftaucht, verhalten Sie sich nett und wie immer, okay? Regen Sie sie nicht auf. Verlassen Sie einfach nur ruhig das Haus. Ellis ist auf dem Weg zu Ihnen.«
»Was zum Teufel geht hier vor?«
»Wir glauben zu wissen, wer M. ist. Und es ist nicht Jill Vickery. Und nun verschwinden Sie so schnell wie möglich.« Lorne legte auf.
Wenn es nicht Jill Vickery ist …
Chase ging zum Ende des Tisches und öffnete die Schublade. Annies Waffe fehlte.
Er schloss die Schublade geräuschvoll.
Wo bist du, Miranda?
Einer plötzlichen Eingebung folgend lief Chase nach draußen zu seinem Wagen. Vielleicht war noch Zeit, sie zu finden. Er hatte Miranda um höchstens fünf Minuten verpasst, vielleicht auch um zehn. Weit konnten sie nicht sein. Wenn er in der Stadt herumfuhr und seine Augen aufhielt, dann würde es ihm vielleicht gelingen, sie zu finden.
Falls sie immer noch in der Gegend waren.
Ich kann dich nicht verlieren. Jetzt, wo wir deine Unschuld beweisen können. Jetzt, wo wir eine Chance haben.
Er riss den Wagen herum und raste mit quietschenden Reifen in Richtung Stadt.
»Geh weiter. Die Treppen hoch.«
Mirandas Gedanken waren nun wie gelähmt. Ihre Beine drohten, unter ihr nachzugeben, sie setzte den Fuß auf die nächste Stufe.
»Geh!«
Miranda drehte sich zu ihr um. Sie waren schon fast im dritten Stockwerk angekommen. Nur noch eine Treppe, dann standen sie vor der Tür, die aufs Dach führte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte sie die Schönheit dieses Treppenhauses, das geschwungene Treppengeländer aus Mahagoni und die glänzende Holzlackierung bewundert. Doch nun war es zu einer spiralförmigen Todesfalle geworden. Sie umklammerte das Geländer, als versuchte sie Stärke aus dem harten, soliden Holz zu ziehen.
»Warum tust du das?« fragte sie.
»Geh, Geh einfach.«
»Wir waren einmal Freunde …«
»Bis Richard kam.«
»Aber das wusste ich nicht! Ich wusste nicht, dass du in ihn verliebt warst! Wenn du es mir doch nur erzählt hättest.«
»Ich habe es nie jemandem erzählt. Ich konnte nicht. Es war seine Idee, weißt du. Es für uns zu behalten, als unser kleines Geheimnis. Er sagte, er wollte mich beschützen. Und ich habe ihm vertraut.«
Dann bin ich die Einzige, die es weiß, dachte Miranda. Die Einzige, die noch am Leben ist.
»Beweg dich«, befahl Annie. »Los, die Treppen hoch.« Miranda rührte sich nicht. Sie schaute Annie in die Augen und sagte leise: »Warum erschießt du mich jetzt nicht einfach? Gleich hier. Das hast du doch ohnehin vor.«
»Du hast die Wahl.« Ruhig hob Annie die Waffe. »Ich habe keine Angst zu töten. Man sagt, beim ersten Mal sei es am schwersten. Und weißt du was? Es war eigentlich überhaupt nicht schwer. Ich brauchte bloß daran zu denken, wie sehr er mich verletzt hatte und das Messer schien sich von alleine zu bewegen. Ich habe nur zugesehen.«
»Ich bin aber nicht Richard. Ich wollte dich niemals verletzen.«
»Aber du wirst es tun, Miranda. Du kennst die Wahrheit.«
»Genau wie die Polizei. Sie haben diesen Brief gefunden, Annie. Den letzten, den du geschrieben hast.«
Annie schüttelte den Kopf. »Sie haben Jill heute nacht festgenommen. Aber du bleibst immer noch diejenige, die sie beschuldigen werden. Weil sie die Schreibmaschine in deinem Wagen finden. Was für ein schlaues Mädchen du zu sein schienst, diese ganzen Briefe zu schreiben und sie im Cottage zu verstecken. Den Verdacht auf die arme, unschuldige Jill zu lenken, doch dann holte die Schuld dich wieder ein. Du wurdest depressiv. Du wusstest, dass das Gefängnis unvermeidbar sein würde. Also wähltest du den leichten Ausweg. Du bist auf das Dach des Verlagsgebäudes geklettert und hinuntergesprungen.«
»Ich werde es nicht tun.«
Annie umklammerte die Pistole mit beiden Händen und zielte auf Mirandas Brust. »Dann wirst du hier sterben. Ich musste dich töten, weißt du. Ich erwischte dich dabei, wie du die Schreibmaschine in Jills Büro schmuggeln wolltest. Du warst bewaffnet. Du hast mich ins Treppenhaus beordert. Ich versuchte, dir die Waffe zu entwenden und dabei löste sich ein Schuss. Ein sauberes Ende für alle Beteiligten.« Langsam entsicherte sie die
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