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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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hatte ergeben, dass sie ruhig schlief und, dass man davon ausging, dass Miranda sich bald wieder erholte.
    Jetzt fragte er sich, wohin er gehen und wo er schlafen sollte.
    Nicht in die Chestnut Street. Er konnte nie wieder unter einem Dach mit Evelyn schlafen, nicht nachdem, was er der Familie DeBolt angetan hatte. Nein. Heute Nacht fühlte er sich entwurzelt, abgeschnitten von den DeBolts, von den Tremains und von dem Erbe seiner reichen und hochmütigen Vergangenheit. Er fühlte sich neugeboren. Gereinigt.
    Chase startete den Wagen und fuhr nach Rose Hill.
    Im Cottage war es kalt und es wirkte leblos, so als ob jede Freude, die jemals in diesen Mauern existiert hatte, schon seit langem gewichen war. Nur das Schlafzimmer verstrahlte eine einigermaßen warme Atmosphäre. Hier hing noch die Erinnerung an diese Nacht, an diese eine Nacht, im Raum.
    Er lag auf dem Bett und versuchte, Mirandas Geruch und ihre Sanftheit heraufzubeschwören, aber es war so, als ob er versucht hätte, sein Spiegelbild aus dem Wasser zu fischen. Jedesmal, wenn er es festhalten wollte, rann es ihm durch die Finger.
    Genauso wie Miranda seinem Griff entschlüpft war.
    Sie ist keine von uns, hatte Evelyn einmal gesagt. Sie ist nicht wie wir.
    Chase dachte an Noah, an Richard, an Evelyn und an seinen Vater. Und er dachte, dass Evelyn Recht hatte. Miranda war nicht wie sie.
    Sie war besser.
    »Ein Happy End«, sagte Miss St. John, »ereignet sich nicht automatisch. Manchmal muss man daran arbeiten.«
    Chase nahm diesen Rat und die Tasse Kaffee, die sie ihm reichte, gelassen entgegen. Hatte ihn die Erfahrung nicht gelehrt, dass man ein Happy End nur im Märchen, aber nicht im richtigen Leben fand. Hatte seine Ehe es nicht bewiesen?
    Diesmal wird es anders. Ich werde es anders machen. Wenn ich nur sicher sein könnte, dass ich es bin, den sie will.
    Er nippte an seinem Kaffee und streichelte gedankenlos Ozzies zotteliges schwarzes Fell. Er wusste nicht, weshalb er das Biest verwöhnte, außer, weil es so verdammt dankbar dafür war. Ein Blick auf die Uhr verriet Chase, dass er jede Menge Zeit hatte, bis die Fähre nach Bass Harbour um zwölf ablegte. Bis er zu Miranda kam.
    Die ganze Nacht hatte er schlaflos im Bett gelegen und über ihre Chancen nachgegrübelt. Das Gespenst seines Bruders ließ sich nicht so einfach verjagen. Vor nur wenigen Wochen war Richard der Mann gewesen, denn sie geliebt hatte, oder von dem sie glaubte, dass sie ihn liebte. Richard hatte ihr die Unschuld geraubt, sie benutzt und beinahe zerstört. Und jetzt bin ich da, noch ein Tremain. Warum sollte sie mir vertrauen, nach allem, was Richard ihr angetan hat?
    Ereignisse und Gefühle waren in den letzten Tagen in Blitzgeschwindigkeit durch ihn hindurchgerauscht. Vor einer Woche hatte er sie eine Mörderin genannt. Und er war erst vor Stunden zu der Überzeugung gelangt, sie für unschuldig zu halten. Sie hatte jedes Recht der Welt, ihn abzulehnen oder ihm die Dinge, die er einmal zu ihr gesagt hatte, niemals zu vergeben. Es waren so viele grausame und schreckliche Worte zwischen ihnen gefallen. Konnte Liebe, echte Liebe auf solch einem vergifteten Boden gedeihen? Gab es eine Chance für ihre Liebe?
    Er wollte glauben, dass es ging. Er musste daran glauben. Doch diese Zweifel quälten ihn.
    Als Miss St. John um zehn Uhr an die Cottagetür geklopft hatte, um ihm Kaffee und ein Schwätzchen anzubieten, war er beinahe dankbar für ihre Aufdringlichkeit, wenngleich er aber vermutete, dass hinter dieser Einladung mehr als nachbarliche Freundlichkeit steckte. Die Nachricht über die nächtlichen Ereignisse hatte sich in der Stadt gewiss bereits herumgesprochen. Miss St. John mit ihrer erstklassigen Antenne hatte die Signale zweifelsohne aufgeschnappt und war vermutlich schlicht neugierig.
    Jetzt, wo sie auf den neuesten Stand gebracht worden war, machte sie sich daran, ihm ihre Meinung darzulegen, ob er sie nun hören wollte oder nicht.
    »Miranda ist eine wundervolle Frau, Chase«, sagte sie.
    »Eine sehr nette Frau.«
    »Ich weiß«, war alles, was er darauf antworten konnte.
    »Aber du hast Zweifel.«
    Er seufzte voller Schmerz und Ungewissheit. »Nach allem, was geschehen ist …«
    »Menschen haben das Recht, Fehler zu machen, Chase. Miranda machte einen mit deinem Bruder. Es war keine böse Absicht und hatte nichts mit Grausamkeit oder schlechten Vorsätzen zu tun. Nur mit Liebe. Mit Fehleinschätzung. Sie hat einen großen Fehler gemacht, ja, aber die Gefühle waren

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