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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nicht, was er darauf erwidern sollte, doch er ahnte, worauf sie hinauswollte, und diese Wendung des Gesprächs missfiel ihm. In all den Jahren, in denen sie zusammen aufgewachsen waren, hatte er sich und Evelyn DeBolt niemals als ein Paar vorstellen können. Gewiss, sie war attraktiv, und sie passte allein vom Alter besser zu ihm als zu Richard, doch er hatte ihr Talent, Menschen zu manipulieren und Gedanken und Herzen zu verdrehen, schon früh erkannt. Richard hatte dasselbe Talent besessen.
    Trotzdem tat sie ihm Leid.
    »Du bist einfach müde, Evelyn«, sagte er sanft. »Du hast eine schreckliche Woche hinter dir, aber das Schlimmste ist nun vorüber.«
    »Nein. Das Schlimmste fängt gerade an. Die Einsamkeit.«
    »Du hast deine Kinder …«
    »Du wirst bald abreisen, nicht wahr?«
    »In ein paar Tagen. Ich muss. Ich habe doch einen Job in Greenwich.«
    »Du könntest hier bleiben. Übernimm den Herald.
    Phillip ist noch zu jung dafür.«
    »Ich wäre ein lausiger Verleger. Das weißt du. Und ich gehöre nicht mehr länger hierher. Nicht auf diese Insel.«
    Sie betrachteten sich einen Augenblick lang in der Dunkelheit.
    »Also, das war es nun«, flüsterte sie, »für uns.«
    »Ich fürchte …«
    Er sah die Silhouette traurig nicken.
    »Wirst du zurechtkommen?«
    »Gut«. Sie stieß ein leises Lachen aus. »Es wird mir einfach prächtig gehen.«
    »Gute Nacht, Evelyn.«
    »Gute Nacht.«
    Er ließ sie am Fenster sitzen und ging. Erst bei der Treppe fiel ihm plötzlich der saure Geruch auf, der in der Eingangshalle hing. Auf dem Tisch im Foyer stand ein leeres Glas neben dem Telefon. Er hob das Glas hoch und roch daran.
    Whiskey.
    Wir haben alle unsere Geheimnisse. Auch Evelyn.
    Er stellte das Glas zurück, bevor er gedankenverloren die Treppe hinauf ins Bett ging.

6. KAPITEL
    »Wo seid Ihr beide letzte Nacht gewesen?« fragte Chase.
    Die Zwillinge, die damit beschäftigt waren, Eier und Würstchen in einer Pfanne zu brutzeln, schauten gleichzeitig zu ihrem Onkel hoch.
    »Ich war vorhin bei Zach Brewer«, sagte Phillip. »Du erinnerst dich doch an die Brewers, nicht wahr? Drüben in der Pearl Street.«
    »Unser lieber Phil meint, dass er in Wirklichkeit Zachs Schwester abgepasst hat«, erklärte Cassie.
    »Im Gegensatz zu dir verstecke ich mich wenigstens nicht in irgendwelchen Kellern und hoffe, dass mich jemand dort findet.«
    »Ich bin nicht so beziehungsfixiert wie du. Ich war beschäftigt.«
    »Oh, klar«, schnaubte Phillip.
    »Beschäftigt? Womit?« fragte Chase.
    »Ich war drüben beim Herald und habe versucht, ein bisschen aufzuräumen«, sagte Cassie. »Weißt du, Papa hat alles in einer solchen Unordnung hinterlassen. Keine schriftlichen Pläne für seine Nachfolge. Kein Hinweis darauf, in welche Richtung die Zeitung sich entwickeln soll. Redaktionell gesehen.«
    »Lass Jill Vickery sich darum kümmern«, meinte Phillip achselzuckend. »Dafür bezahlen wir sie schließlich.«
    »Ich dachte, dass wenigstens du dich darum kümmern würdest, Phil. Als der offizielle Nachfolger.«
    »Dieser Übergang muss sanft vollzogen werden.« Gleichgültig schob sich Phillip eine Gabel Rührei in den Mund. Für ihn schien das Thema beendet zu sein.
    »In der Zwischenzeit driftet der Herald führungslos in unwägbare Gewässer. Ich will nicht, dass aus der Zeitung eine weitere kirchliche und soziale Postille wird. Wir sollten sie in ein skandalträchtiges Blatt verwandeln. Dinge aus der Region aufdecken und die Menschen aufrütteln und verärgern. So wie Papa sie vor ein paar Monaten verärgert hat.«
    »Wen hat er verärgert?« fragte Chase.
    »Diese Marionetten vom Planungsausschuss. Diejenigen, die dafür waren, die Nordküste wieder zu parzellieren. Pa sorgte dafür, dass sie ziemlich alt aussahen. Ich wette, Jill zitterte in ihren feinen italienischen Fummeln vor einer Verleumdungsklage.«
    »Du scheinst eine Menge darüber zu wissen, was beim
Herald
los ist«, bemerkte Chase.
    »Natürlich. Der Zweitbeste bemüht sich eben mehr.«
    Sie sagte es so leicht dahin, doch Chase entging der Groll in ihrem Tonfall nicht. Er verstand genau, wie sie sich fühlte. Er war ebenfalls der Zweitbeste eines Geschwisterpaares, und er hatte seine Kindheit vergeblich damit verbracht, sich immer noch mehr anzustrengen. Richard war der Gesalbte gewesen. Genauso wie jetzt Phillip.
    Es läutete an der Tür. »Das wird Großvater sein«, vermutete Phillip. »Er ist früh dran.«
    Chase erhob sich. »Ich mache auf.«
    Noah DeBolt stand auf

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