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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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zusammengetragen? Plante er einen Enthüllungsbericht über die Inselbewohner? Oder gab es dafür noch einen anderen Grund? Erpressung zum Beispiel.
    »Falls jemand einbrach, um seine eigene Unterlage zu stehlen, dann können wir annehmen, dass sie nun weg ist«, stellte Chase fest. »Was bedeutet, dass George LaPierre, Dr. Steiner und die anderen in diesem Haufen es nicht getan haben.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Miss St. John. »Was, wenn der Einbrecher sein Profil einfach durch eine harmlose Variante ersetzt hat? Meine, zum Beispiel. In meinem Profil gibt es nichts, das irgendwie skandalös wäre. Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht hier einbrach und die sehr viel boshaftere Version entfernte?«
    Chase lächelte. »Ich werde Sie ordnungsgemäß auf die Liste der Verdächtigen setzen, Miss St. John.«
    »Unterschätzen Sie mich nicht, Chase Tremain. Das Alter allein schützt einen nicht vor Verdächtigungen. Ich habe da oben mehr …« Sie tippte sich gegen die Schläfe »… als dieser Dummkopf George LaPierre in seinen besten Zeiten. Falls er so etwas je hatte.«
    »Wollen Sie damit sagen, Miss St. John, dass wir weder die Namen ausklammern sollten, deren Berichte in dem Stapel sind …« fragte Miranda, »… noch irgendwelche anderen Namen, die sich nicht darin befinden?«
    »Korrekt.«
    Miranda sah stirnrunzelnd auf die Bücher. »Eine Sache ergibt keinen Sinn. Zuerst durchsucht unser Einbrecher den Schreibtisch. Er verstreut überall Papiere, um eine belastende Unterlage zu finden. Warum hätte er das Bücherregal durchsuchen sollen? Das ist nicht die Art von Versteck, wo Richard seine Unterlagen aufbewahrt hätte.«
    Nach einer kleinen Pause sagte Miss St. John: »Da haben Sie Recht. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Nun«, meldete sich Chase zu Wort, »Ich denke, wir sollten Lorne anrufen, obwohl ich nicht glaube, dass er an diesem Punkt groß helfen kann. Versuchen wir es aber trotzdem.« Er griff zum Telefon.
    Chase hatte den Hörer schon in der Hand, als Miss St. John plötzlich sagte: »Warten Sie, vielleicht sollten wir ein wenig später anrufen.« Sie starrte auf eine lose Seite auf dem Boden, nah bei ihren Füßen. Nachdenklich hob sie es auf und strich es auf ihrem Knie glatt.
    Stirnrunzelnd legte Chase den Hörer aus der Hand.
    »Warum?«
    »Das ist das Profil von Valerie Everhard. Sie erinnern sich an Sie, Chase. Unsere Ortsbibliothekarin. Eine verheiratete Dame. Hiernach hatte Valerie einen Liebhaber.«
    »Ach?«
    »Der Mann, mit dem sie sich trifft, ist unser Polizeichef.« Miss St. John sah vom Papier auf. Ihre Augen hatten jede Spur von Humor verloren. »Lorne Tibbetts.«
    »Warum besaß er diese schrecklichen Berichte?« fragte Miranda. »Was wollte er damit machen?«
    Sie fuhren durch die Dunkelheit in die Stadt zurück. Vom Meer zog Nebel auf und verschleierte die Lichter der Stadt, bis nur noch ein schwacher Schein übrig blieb. In diesem Nebel wirkte nichts mehr real und nichts mehr vertraut. Sie fuhren durch ein fremdes, in milchige Schwaden getauchtes Land, das so aussah, als wäre es in dieser Wolke gefangen.
    »Das Ganze klingt nicht nach Richard«, sagte Chase, »im Privatleben der Nachbarn herumzuschnüffeln. Er hat genug eigene Sünden begangen. Wenn jemand erpressbar gewesen wäre, dann er. Außerdem, wen stört es, dass Lorne ein kleines Abenteuer mit der Bibliothekarin hat?«
    »Den Mann der Bibliothekarin?«
    »In Ordnung, aber warum sollte das Richard kümmern?«
    Sie schüttelte den Kopf, unfähig, etwas darauf zu erwidern. »Ich frage mich, ob irgendeiner dieser Menschen etwas über die Unterlagen weiß. Miss St. John wusste es nicht.« Sie sah auf die Papiere auf ihrem Schoß hinunter und dachte an die kompromittierenden Geheimnisse, die sie enthielten. Sie hatte das plötzliche Bedürfnis, den Stapel wegzuschieben und die schmutzige Bürde in den Müll zu werfen. »Chase?« sagte sie. »Woher sollen wir wissen, ob es wahr ist, was darin steht?«
    »Wir wissen es nicht.« Er stieß ein kurzes Lachen aus.
    »Und wir können schlecht an George LaPierres Tür klingeln und fragen, ob er Syphilis hatte.«
    Miranda betrachtete stirnrunzelnd die Notiz, die an der Mappe klemmte. »Ich frage mich, wer das ist. Dieser W.B.R.«
    »Läuten keine Glocken bei den Initialen?«
    »Keine einzige.«
    Als die Dunkelheit an ihnen vorbeiflog, dachte Miranda an die Geheimnisse, die die Unterlagen enthüllten. Des Bankdirektors Schwäche für Whiskey. Des Doktors Betrug. Ehemann und Ehefrau, die

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