Gefährliche Begierde
war.« Sie blickte auf Ozzie. »Ja, und ich meine damit auf dich.«
Der Hund begann seelenruhig, Lornes brandneue Stiefel zu lecken. Vorsichtig gab Lorne dem Hund einen kleinen Schubs. Ozzie, der beleidigt guckte, lenkte seine liebevollen Aufmerksamkeiten auf ein angenehmeres Ziel – Ellis Bein.
»Also haben Sie Ihren Angreifer überhaupt nicht gesehen?« fragte Lorne.
»Nein, das kann ich nicht behaupten.«
»Was geschah dann?«
»Ich kehrte hierher zurück. Oh, Ich habe mich ein wenig im Dunkeln verirrt, aber schließlich fand ich zurück. Und dann rief ich Sie an.«
»Also, der Angriff ereignete sich … wann?«
»Vor ungefähr zwei Stunden.«
Ungefähr zur selben Zeit, als die Flammen den Rest von Miranda Woods Haus verschlangen, dachte Lorne. Es war unwahrscheinlich, dass derselbe Täter das Haus in Brand gesteckt hatte und dann hier herausgerast war, um Miss St John auf den Kopf zu schlagen. Zwei Verbrechen. Zwei Täter Zu dumm.
Lorne bevorzugte einfache Lösungen.
»Sind Sie sicher, dass Ihr Angreifer auf dem Weg nach Rose Hill war?« fragte er.
»Ich weiß es. Und er wird wiederkommen.«
»Warum?«
»Weil er noch nicht bekommen hat, was er wollte.«
»Beziehen Sie sich auf die Skandalblätter?«
Miss St. John bedachte ihn mit einem unschuldigen Blick. »Oh, Sie wissen davon?«
»Ja. Und zu Ihrer Information, Miss St. John, ich habe nichts mit Valerie Edward angefangen. Sie fing etwas mit mir an. So wars.«
Ellis schaute vom Hund auf, der sich jetzt an sein Knie schmiegte.
»Was war denn mit Valerie Everhard?«
»Schon gut«, fauchten Lorne und Miss St. John gleichzeitig »Es gab auch eine Akte über mich«, sagte Miss St. John mit einem leichten Anflug von Stolz. »Genau wie über alle anderen aus dieser Straße. Ich hatte keine Ahnung, dass Richard so tüchtig war.« Miss St. John machte eine bedeutungsschwere Pause. »Ich will dem Mann im Zweifel schiere Neugier unterstellen. Im Gegensatz zu weniger edlen Motiven.«
Erpressung meinte sie damit; das merkte man deutlich. Lorne hielt diese Erklärung aber nicht für sinnvoll. Erstens, weil keines der Geheimnisse besonders schrecklich war, beschämend vielleicht, aber nichts, dass man nicht hätte überleben können – und damit schloss er sich selbst durchaus ein. Zweitens, die Palette der möglichen Opfer reichte vom einigermaßen wohlhabenden Forrest Mayhew bis zu den komplett blanken Gordimers. Warum eine Familie erpressen, die kaum ihre Lebensmittelrechnungen bezahlen konnte?
Außer, wenn Geld nicht das gesuchte Zahlungsmittel war.
Auf dem Weg in die Stadt zurück grübelte er über all dies nach. Er fragte sich, was Richard Tremain mit diesen Geheimnissen anfangen wollte. Fragte sich, ob er tatsächlich derjenige war, der sie an erster Stelle sammelte. Das Cottage hatte schließlich jedem aus der Familie offen gestanden. Cassie. Phillip.
Evelyn.
Nein, nicht Evelyn
, dachte er.
Sie würde sich ihre Hände so dreckig machen.
»Sie und Valerie Everhard«, murmelte Ellis, während er fuhr. »Das hätte ich nie vermutet.«
»Hör zu, sie tat mir Leid«, sagte Lorne. »Sie brauchte ein bisschen Zuwendung.«
»Oh.« Ellis starrte weiter geradeaus auf die Straße und nickte vor sich hin.
»Was, zum Teufel, soll diese Geste bedeuten?« wollte Lorne wissen.
»Och, nichts.«
»Über was?«
»Wie schrecklich Leid Ihnen die Frau jetzt gerade tut.«
»Valerie Everhard?«
»Nein«, sagte Ellis. »Die Witwe Tremain.«
»Es ist eine Frage der Loyalität, Chase«, sagte Noah. »Zur Familie. Zu deinem Bruder. Zu den Menschen, die wichtig sind.«
Chase schwieg und fuhr damit fort, den Schinken in Scheiben zu schneiden, wenn auch etwas energischer als vorher. Er wusste, dass alle ihn beobachteten. Noah und Evelyn. Die Zwillinge. Sie warteten auf seine Antwort. Doch er tat nichts weiter, als das Fleisch in immer schmalere Scheiben zu säbeln.
»Kümmere dich nicht darum, Papa«, sagte Evelyn.
»Siehst du nicht, was los ist? Er ist so von dieser Hexe eingenommen, dass er die Falle, in die er …«
»Bitte, Evelyn.« Chase legte das Messer zur Seite.
»Sie hat dir den Kopf verdreht, Chase! Sie hat ein Talent dafür! Unter anderem. Aber die Fakten kümmern dich ja nicht mehr. Nein, du willst nur noch ihre Lügen glauben.«
»Ich möchte die Wahrheit glauben«, sagte er ruhig.
»Die Wahrheit ist, dass sie eine Hure ist.«
»Evelyn«, schnitt Noah ihr das Wort ab. »Das reicht jetzt.«
Evelyn wandte sich an ihren Vater. »Auf welcher
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