Gefährliche Begierde
etwas Wichtiges aufgetaucht?«
»Nichts Entscheidendes.« Sie griff nach einem weiteren Buch. »Es sei denn, du interessierst dich für Richards erstaunlich eigenwilligen Geschmack für Stoffe.« Sie betrachtete einen Buchumschlag. Physik der Ozeanwellen, Band II.
»Dieses zum Beispiel. Ich wusste gar nicht, dass er sich für Physik interessierte.«
»Er interessierte sich nicht dafür. Wenn es um Naturwissenschaften ging, war er praktisch ein Analphabet.«
Sie schlug das Buch auf. »Na ja, aber das ist sein Buch. Ich sehe, dass ihm jemand eine Widmung hineingeschrieben hat …«
Während sie den Titel betrachtete, errötete sie plötzlich.
»Was ist?«
»Kennst du das alte Sprichwort?« murmelte Miranda.
»Darüber, dass man Bücher nicht nach ihrem Cover beurteilen soll?«
Chase stellte sich hinter sie und las über ihre Schulter.
»Einhundert und eine Stellungen beim Sex. Vollständig illustriert.«
Miranda schlug eine Seite auf und errötete noch heftiger. »Die meinen, was sie gesagt haben von wegen vollständig illustriert.«
Er griff um sie herum nach dem Buch. Sein Atem streifte ihren Nacken und hinterließ ein Kribbeln auf ihrer Haut.
»Offensichtlich eine Tarnung«, sagte Chase. »Ich frage mich, wie viele dieser Bücher sich noch in diesem Regal befinden?«
»Das habe ich nicht überprüft«, gab Miranda zu. »Ich habe nach losen Zetteln gesucht und nicht auf die Titel selbst geachtet.«
Chase blätterte zur ersten Seite zurück und las die handgeschriebene Widmung laut vor. »Für meinen Liebling Richard. Können wir Nummer achtundvierzig noch einmal probieren? In Liebe M.« Chase blickte auf Miranda.
»Ich habe ihm dieses Ding nicht geschenkt!« protestierte sie heftig.
»Aber wer ist dann M.?«
»Jemand anderes. Ich nicht.«
Er starrte stirnrunzelnd auf die Widmung. »Was Nummer achtundvierzig wohl ist.« Er schlug das Buch auf der entsprechenden Seite auf.
»Und?«
Chase warf einen diskreten Blick darauf. »Das willst du gar nicht wissen«, murmelte er und schlug das Buch schnell zu.
Da flog ein Zettel heraus und landete auf dem Boden. Beide starrten sie ihn verwundert an. Chase reagierte als erster und hob ihn auf.
»Mein Liebling«, las er laut vor. »Jeden Tag, jede Stunde denke ich an dich. Ich habe es aufgegeben, mich um Eigentum, Ruf oder das Höllenfeuer zu sorgen. Es gibt nur dich und mich und die Zeit, die wir zusammen verbringen. Das, mein Liebling, ist meine neue Definition des Himmelreichs.« Chase warf wieder einen Blick auf Miranda, eine Augenbraue zynisch nach oben gezogen.
Miranda sah ihm fest in die Augen. »Falls du dich fragen solltest«, sagte sie in ruhigem Ton, »nein, diese Nachricht habe ich auch nicht geschrieben.« Irritiert griff sie nach einem Buch aus dem Schrank und türmte es dann auf den nächsten Stapel.
»Dann, vermute ich, werden wir es einfach unter ›Kuriositäten‹ ablegen«, sagte Chase. »Und mit dem Rest der Bücher weitermachen.«
Miranda saß auf dem Teppich, und Chase nahm vor dem Bücherschrank Platz. Sie berührten sich nicht, und sie vermieden es auch, sich anzusehen. Es ist für uns beide sicherer so, dachte sie.
Eine halbe Stunde lang blätterten sie durch Bücher, schlugen sie auf und zu und entließen Staubwolken in die Luft. Miranda war diejenige, die das nächste Puzzlestückchen fand. Es war in einem Finanzordner abgeheftet, in einem Umschlag, der mit ›Einbehaltene Ausgaben‹ gekennzeichnet war.
»Eine Quittung«, sagte sie, während sie das Papier stirnrunzelnd studierte. »Vor einem Monat bezahlte Richard dieser Firma vierhundert Dollar.«
»Wofür?« fragte Chase.
»Das steht hier nicht. Aber sie ist von der Alamo Detektei in Bass Harbour ausgestellt.«
»Eine Detektei? Wem wollte Richard denn auf die Schliche kommen?«
»Chase.« Sie gab ihm das Papier. »Schau mal auf den Namen des Empfängers.«
»William B. Rodell?« Er sah sie fragend an.
Wenigstens siehst du mich wieder an, dachte sie. Wenigstens gibt es wieder eine Verbindung. »Erinnerst du dich nicht? An diese Notiz, die an Richards Unterlagen klemmte?«
Chase starrte auf die Quittung, als ihm plötzlich ein Licht aufging.
»Natürlich«, sagte er leise. »William B. Rodell …« W.B.R.
Es war leicht zu erkennen, wie die Alamo Detektei zu ihrem Namen gekommen war. Willie Rodell war ein guter alter Junge, den man von San Antonio hierher verpflanzt hatte. Er teilte seine Zeit zwischen Maine und Florida. Den Sommer verbrachte er in Maine, wo er
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