Gefährliche Begierde
hinter seinem alten stählernen Schreibtisch saß und sich hinter Bücher- und Papierstapeln verschanzte wie hinter einer Festung. Das Büro der Detektei war ein Ein-Mann-Betrieb – ein Telefon, ein Schreibtisch, ein Mann. Doch was für einer. Willie Rodell hatte genug Fleisch auf den Rippen, um die Anzüge von zwei Zweimeter-Männern zu füllen. Ein typischer Texaner, dachte Miranda.
»Jo, könnte sein, dass ich hier und da ein paar Jobs für Mr. Tremain erledigt habe«, sagte Rodell und lehnte sich in seinem übergroßen Sessel zurück.
»Heißt das jetzt, Sie haben oder Sie haben nicht?« fragte Chase.
»Nun, Sie halten da eine meiner Quittungen in der Hand, also vermute ich, dass ich für ihn gearbeitet habe.«
»Was für eine Art von Arbeit war das?«
Willie zuckte mit den Achseln. »Routinesachen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Meistens kümmere ich mich um häusliche Angelegenheiten, wenn Sie mir folgen können. Wer tut wem was, diese Art von Sachen.« Sein Grinsen verwandelte die Falten in seinem Gesicht zu etwas vage Obszönem.
»Aber das war nicht die Art von Job, die Sie für Richard erledigt haben. Was war es?«
»Nee, obwohl ich hörte, dass es in diesem speziellen Fall noch mehr Dreck zum Wühlen gegeben hätte.«
Miranda starrte mit brennenden Wangen auf Willies Schreibtisch, ein Schlachtfeld aus zerbrochenen Bleistiften, verbogenen Büroklammern, die überall herumflogen, und einer bizarren Sammlung von Magazinen. Heiße Ladies. Der Schlosser. Auto und Fahrer.
Chase kam gleich zum Punkt. »Er hat sie angeheuert, um Profile der Nachbarn zu erstellen, oder?«
Willie bedachte ihn mit einem verbindlichen Blick.
»Profile?«
»Wir haben sie gesehen, Mr. Rodell. Sie waren unter Richards Papieren. Detaillierte Berichte über fast jeden Anwohner der Zufahrtsstraße. Jeder Bericht enthielt heikle Informationen.«
»Dreckspapiere.«
»Das ist richtig.«
Willie hob die Achseln. »Ich habe sie nicht geschrieben.«
»Da gab es eine Notiz an einem dieser Berichte. Darauf stand: ›Wollen Sie mehr? Dann lassen Sie es mich wissen.‹ Sie war unterschrieben mit den Initialen W.B.R.« Chase beugte sich über den Schreibtisch und nahm eine von Willies Visitenkarten. »Die zufällig mit Ihren Initialen übereinstimmen.«
»Ungeheuerlicher Zufall, was?«
»Er wollte die schmutzige Wäsche seiner Nachbarn waschen. Warum?«
»Weil er ein Schnüffler war?«
»Also bezahlte er Sie dafür, dass Sie ihm diese Berichte schrieben.«
»Ich sagte Ihnen bereits, dass ich sie nicht geschrieben habe.« Willie hob seine dicke Pranke in die Höhe. »Großes Indianerehrenwort.«
»Aber wer hat es dann getan?«
»Keine Ahnung, aber ich bewundere seine Arbeit.« Miranda, die ruhig daneben saß, richtete ihre Augen auf die Magazine, die auf dem Schreibtisch lagen. Der Schlosser. »Sie haben sie gestohlen«, sagte sie und sah in Willies Mondgesicht. »Dafür hatte Richard Sie angeheuert. Um jemandem diese Unterlagen zu stehlen.«
Willie hob die Hand, um sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen.
»Sie wurden dafür bezahlt, irgendwo einzubrechen«, behauptete Miranda. »Wofür bezahlte man Sie noch?«
»Hören Sie«, antwortete Willie, während er seine beiden fetten Hände zu einer Geste spöttischer Kapitulation erhob. »Die Leute bezahlen mich, um an Informationen zu kommen, okay? Und das ist alles, was ich mache. Den Kunden ist es egal, wie ich sie bekomme, so lange ich sie bekomme.«
»Und wo haben Sie diese Blätter gefunden?« fragte Chase.
»Sie gehörten zu einem Haufen Papier, den ich, sagen wir, aufgelesen habe.«
»Was haben Sie noch, sagen wir, aufgelesen?«
»Finanzberichte, Bankunterlagen. Hey, ich habe sie nicht gestohlen. Ich habe sie mir einfach, na ja, für ein paar Minuten ausgeliehen. Lang genug, um den alten Herrn Xerox damit zu füttern. Dann legte ich sie wieder dahin zurück, wo ich sie gefunden hatte.«
»Das Büro von Stone Coast Trust«, sagte Miranda. Willie schenkte ihr ein breites Grinsen. »Sie sollten Detektivin werden, Ma’am.«
»Also, waren das Tony Graffams Unterlagen«, stellte Chase fest. »Und nicht Richards.«
»Mr. T. wusste nicht einmal, dass sie existierten, bevor ich sie ihm aushändigte. Dachte, er will bestimmt noch mehr. Sie wissen doch, wie es ist. Wenn man mal auf den Geschmack gekommen ist, dann will man das ganze Menü. Na ja, diese Unterlagen waren nur die Vorspeise. Ich hätte noch mehr bekommen können.«
»Warum haben Sie
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