Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
Ungeheuer Farquharson. Wenn das keine Ironie ist.“
„Vergleiche mich nicht mit Farquharson.“ Lucien setzte sein Glas so heftig ab, dass es mit einem hellen Knacken zersprang. Er sammelte die Scherben zusammen und legte sie auf dem Tablett eines vorbeikommenden Dieners ab.
„Beruhige dich, Bruderherz. Ich hasse Farquharson ebenso sehr wie du.“
„Ich versichere dir, das ist nicht der Fall.“
„Deine Gefühle sind nachvollziehbar angesichts dessen, was geschehen ist“, versetzte Guy ruhig.
In Luciens Kiefer begann ein Muskel zu zucken.
„Was unternehmen wir wegen der jungen Dame? Ist sie wirklich in Gefahr?“, wollte Guy wissen.
„Mehr, als sie selber auch nur ahnt“, erwiderte Lucien ernst.
3. KAPITEL
Wie erstarrt saß Madeline da. Gleich würde Farquharson sie holen kommen. Ihr beherzter Stoß mit dem Knie hatte ihn nicht von seinem Vorhaben abgebracht. Und den Rat des Fremden zu befolgen erwies sich als unmöglich – da ihre Mutter keine Ausrede gelten ließ und in der Hoffnung auf eine vorteilhafte Heirat beide Augen vor Farquharsons Übergriffen verschloss.
Sie schauderte bei dem Gedanken und sah ihre Mutter verstohlen von der Seite her an. Sie plauderte lebhaft mit Mrs. Wilson. Suchend ließ Madeline ihren Blick über die Menge der Gäste schweifen. Ihr Vater war nirgends zu entdecken. Auf der gegenüberliegenden Seite des Ballsaals stand ihr Retter zusammen mit einem anderen Gentleman. Als er plötzlich zu ihr herüberschaute, fing ihr Herz an, wie rasend zu klopfen, und sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Rasch wandte sie den Blick ab. Er würde das Schlimmste von ihr denken, wenn Farquharson gleich kam und sie aufforderte. Und hatte er nicht recht? Aber was konnte sie tun, wenn ihre Mutter sie mit Argusaugen bewachte und ihr sogar verboten hatte, das Damenzimmer aufzusuchen? Madeline wagte es nicht, noch einmal zu dem Fremden hinüberzublicken, nicht einmal, als sie bemerkte, dass Lord Farquharson begann, sich seinen Weg zu ihr zu bahnen.
Eine Eiseskälte breitete sich in ihr aus. Ihr Mund wurde staubtrocken, und ihre Handflächen fühlten sich klamm an. Sie sah zu Boden und versuchte, sich Mut zu machen. Ich schaffe das, sagte sie sich. Ich schaffe es ganz bestimmt. Sie wiederholte den Satz wie eine Beschwörungsformel, immer wieder. Was konnte Farquharson ihr antun, solange er sich mit ihr in der Öffent lichkeit befand? Sie musste nur diesen Tanz überstehen.
Doch allein bei der Vorstellung, dass der Baron sie anfasste, dass sie ihm ausgeliefert sein würde, stieg Übelkeit in ihr hoch. Sie kämpfte dagegen an. Sie würde Farquharson die Stirn bieten, ihn nicht merken lassen, dass sie Angst hatte. Sie versuchte, ruhig zu atmen, und ballte ihre Hände zu Fäusten.
Auf dem Stück Fußboden, das sie fixierte, erschien ein Paar schwarzer Herrenschuhe. Madeline schluckte. Ganz langsam ließ sie den Blick höherwandern. Weiß bestrumpfte Schienbeine. Kniehosen aus feinstem schwarzen Tuch, die sich um muskulöse lange Schenkel schmiegten. Ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen. Ruckartig hob sie den Kopf und sah ihrem Retter ins Gesicht.
„Ich glaube, dies ist mein Tanz, Miss Langley“, sagte der Fremde ruhig und zog sie ohne auf eine Antwort zu warten auf die Füße.
Wie vom Donner gerührt, blieb Lord Farquharson mitten im Ballsaal stehen und schaute ungläubig zu ihnen herüber.
Mrs. Langley schien protestieren zu wollen, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Offenen Mundes starrte sie dem Gentleman, der ihre ältere Tochter zur Tanzfläche führte, hinterher.
„Ich fasse es nicht!“, keuchte Mrs. Wilson neben ihr. „Wissen Sie, wer das ist?“
„Ja“, erwiderte Mrs. Langley matt. „Der Earl of Tregellas.“
„Der Ruchlose Earl“, korrigierte ihre Freundin mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. „Wie um alles in der Welt kommt er dazu, Madeline aufzufordern?“
Das erste Mal in ihrem Leben fehlten Mrs. Langley die Worte.
Der dunkelhaarige Fremde hielt sie sacht und doch sicher. Madeline spürte die Wärme seiner Hand, die mit leichtem Druck auf ihrer Taille lag, durch den Stoff ihres Kleides hindurch. Die Finger der anderen Hand schlossen sich schützend um ihre. Sein schwarzer Frackrock saß wie angegossen und brachte seine breiten Schultern und den muskulösen Brustkorb hervorragend zur Geltung. Unter der weiß abgesetzten Weste trug er ein makellos weißes Hemd mit hohem Kragen und ein weißes Krawattentuch, dessen Knoten man nur als
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