Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
„Ja“, sagte sie. „Er versuchte, über den Balkon zu entkommen. Ich glaube, er ist hinuntergestürzt.“
Lucien legte sie behutsam auf das Bett, ging zur Balkontür und sah nach draußen. Auf der linken Seite war das Geländer komplett heruntergebrochen. Er öffnete die Tür und spähte vorsichtig über den Rand des Balkons nach unten. Das Vordach war leer, doch auf den Steinstufen der Eingangstreppe lag mit grotesk verrenkten Gliedern die Leiche eines Mannes. Cyril Farquharson hatte sein Leben ausgehaucht.
Die Lider waren ihr zugefallen, doch Madeline hörte, wie Lucien zum Bett kam, und spürte, wie die Matratze unter seinem Gewicht nachgab, als er sich neben sie setzte. „Er ist tot“, sagte er.
Sie öffnete die Augen. „Dann sind wir endlich sicher.“
Lucien nickte. „Ich hatte befürchtet …“ Seine Stimme klang brüchig, und er atmete tief durch.
„Nein.“ Sie legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. „Ihr kamt rechtzeitig, du und Max.“
„Madeline!“ Er nahm sie in die Arme und wiegte sie sacht hin und her.
Sie legte den Kopf in den Nacken und tupfte ihm Schmetterlingsküsse auf Kinn und Wangen. „Ich glaubte, ich hätte dich verloren“, flüsterte sie.
„Meine Geliebte.“ Er streichelte ihr Gesicht. „Auch ich glaubte, dich verloren zu haben. Ich hätte es nicht ertragen können. Du bist mein Leben.“
„Und du bist meins.“
Ihre Lippen trafen sich zu einem innigen Kuss, und Madeline wusste, dass Lucien sie hielt und nie mehr gehen lassen würde.
Zwei Wochen später standen Madeline und Lucien auf der Freitreppe von Trethevyn und winkten Guy zum Abschied.
Noch am Abend von Farquharsons unrühmlichem Ende hatte Lucien eine Karte der Gegend in den Taschen der zerschmetterten Leiche gefunden, auf der eine alte Zinnmine auffällig markiert gewesen war. Lucien hatte sich an Collins’ Beschreibung erinnert und gewusst, dass Guy dort gefangen gehalten wurde. Unverzüglich war er mit einem Trupp bewaffneter Diener aufgebrochen und hatte seinen schwer verletzten Bruder befreit.
„Er hätte besser auf dich hören und erst dann nach London aufbrechen sollen, nachdem er völlig genesen war.“ Madeline seufzte. „Ich meine, was ist, wenn …“
Lucien legte ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Kein ‚Was-ist-wenn‘ mehr. Guy ist störrisch wie ein Esel, wenn er sich etwas in den Kopf setzt. Außerdem …“. Lucien hob eine Braue. „Mein Bruder muss sich in London sehen lassen. Er hat einen Ruf als weltgewandter Stadtmensch zu verteidigen.“
Eine zarte Röte überzog Madelines Wangen. „Ein Ruf kann irreführend sein. Ganz London hält dich für ruchlos. Aber diesem Gerücht werde ich ein Ende setzen, sobald wir das nächste Mal in der Stadt sind.“
„Angefangen bei deinen Eltern.“
„Oh, habe ich es dir noch nicht erzählt?“ Madeline lächelte verschmitzt. „Meine Mutter findet inzwischen, dass es viele Vorzüge hat, einen Earl zum Schwiegersohn zu haben. Und Papa ist ohnehin glücklich, wenn ich es bin.“
„Und bist du glücklich, meine Liebste?“
„Ich könnte nicht glücklicher sein.“
Lucien strich verführerisch über ihren Rücken.
Mit freudigem Gebell und einem verblüffenden Sinn für den falschen Zeitpunkt stürmte Max über die gekieste Auffahrt auf sie zu und kam hechelnd vor ihnen zum Stehen. Madeline lachte und bückte sich, um ihn zu streicheln. „Braver Junge.“
Lucien stimmte in ihr Lachen ein. „Du hast recht. Und ab jetzt darf er so viele Stiefel von mir zerkauen, wie er will.“
Madeline richtete sich auf und warf Lucien einen mutwilligen Blick zu. „Wirst du mir noch einmal erzählen, wie der Geist von Harry Staunton dich durch das Moor geführt hat?“
„Madeline …“ Lucien hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Es gibt keine Geister.“ Er küsste sie wieder, diesmal gründlicher. „Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?“ Er grinste durchtrieben. „Oder es dir gezeigt?“
Ohne ihr die Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, hob der Earl of Tregellas seine Countess auf die Arme und trug sie über die Schwelle von Trethevyn.
Weit draußen im Moor zog ein einsamer Reiter lächelnd seinen altmodischen Dreispitz.
–ENDE –
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