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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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setzen.
    Kurz nach Mittag, wie Luke annahm, als die Sonne ein wenig tiefer zu sinken begann, lichtete sich der Wald vor ihm. Er verlangsamte seine Schritte, achtete noch stärker darauf, nicht auf Zweige oder in trockenes Laub zu treten. Dächer und Mauern tauchten vor ihm auf – sollte das tatsächlich wieder Chiutza sein? Dann fiel ihm auf, wie viele Mauern baufällig oder bereits eingestürzt waren und wie viele Dächer klaffende Löcher aufwiesen. Das war nicht Chiutza. Chiutza war heruntergekommen und schäbig gewesen, aber es wurde instand gehalten. Dieser Ort hier bestand nur noch aus Ruinen.
    Luke schlich weiter, hielt Ausschau nach irgendeinem Zeichen, das darauf hindeutete, dass hier Menschen lebten: vielleicht Rauch, der aus Schornsteinen aufstieg, Babyweinen oder Küchengerüche. Doch in den verfallenen Häusern und Hütten vor ihm war alles ruhig. Ängstlich betrat Luke die Lichtung, auf der das Dorf lag. Er hielt die Luft an und horchte angespannt. Es war nichts zu hören als der Wind, der durch leere Fensterhöhlen strich und dort das gleiche einsame Heulen erzeugte wie zwischen den nackten Ästen im Wald.
    In diesem Dorf waren keine Menschen. Luke war sich so sicher, dass er direkt auf die Mitte zwischen den Häusern und Hütten zuging – das, was vielleicht einmal der Dorfplatz gewesen war. Ein zerfurchter Fahrweg führte aus dem Dorf, doch er sah aus, als sei er seit langer Zeit nicht mehr benutzt worden.
    »Wo sind sie alle hin?«, murmelte Luke, aufrichtig verwundert.
    Er wusste von den Dürreperioden und Hungersnöten vor seiner Geburt. Sie waren der Grund dafür, dass die Regierung das Bevölkerungsgesetz erlassen hatte, das den Menschen untersagte, mehr als zwei Kinder in die Welt zu setzen. Nach Ansicht der Regierung hatte es zu viele Menschen gegeben.
    Dieses Dorf sah aus, als habe es nicht genug Menschen gegeben – nicht genug, um die Häuser zu füllen, die Dächer zu reparieren, die Mauern zu flicken und die Bäume zu beschneiden.
    Bei einem der Häuser drückte Luke gegen die Haustür. Mit quietschenden Angeln öffnete sie sich und gab den Blick frei auf einen Raum voller zerbrochener Stühle und heruntergerissener Tapeten.
    Ob die Menschen schnell von hier fort mussten?, fragte sich Luke. Oder hatten sie Zeit, zu packen und zu überlegen, was sie mitnehmen oder hierlassen wollten? Sein Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass ihn diese Frage nicht nur theoretisch interessierte. Hatten sie Essen zurückgelassen?
    Er wanderte durch das Haus, bis er im hinteren Teil eine Küche fand, in der sich der Linoleumbelag aufbog, ein Waschbecken von einem morschen Brett herabhing und rostige Rohre aus der Wand ragten. Luke hinterließ schmutzige Fußabdrücke auf dem Linoleum, aber er fand nicht, dass das eine Rolle spielte. Er öffnete die Schränke in der Hoffnung, irgendwelche Konserven zu finden – Konserven und praktischerweise vielleicht auch einen Konservenöffner. Oder Gläser mit Eingemachtem, wie seine Mutter sie jedes Jahr anlegte, mit sämtlichen Früchten und Gemüsesorten, die gerade Saison hatten. Luke dachte an die aufgereihten Maiskölbchen, die zum Abkühlen immer auf der Anrichte gelegen hatten, an die Körbe mit Tomaten und an die gekochten Äpfel, die er immer zu Brei hatte zermanschen dürfen. Luke lief das Wasser im Mund zusammen und ihm traten Tränen in die Augen, so dass er kaum sehen konnte, dass die Regale vor ihm leer waren.
    Natürlich sind sie leer, sagte er sich. Natürlich gibt es hier nichts zu essen. Hast du vergessen, dass die Menschen am Verhungern waren? Sie hätten bestimmt nichts zurückgelassen.
    Er ließ sich auf den Boden sinken und legte verzweifelt den Kopf auf die Knie. Er war so hungrig. So müde. Er war so weit gelaufen und hatte solche Angst ausgestanden – warum sollte er sich nicht ein paar Minuten ausruhen? Er ließ sich auf die Seite fallen und legte den Kopf auf ein Stück Linoleum, das sich von dem verrottenden Boden gelöst hatte. Dann schlang er die Arme um die Beine und zog sie eng an den Leib.
    Nur ein paar Minuten, sagte er sich und schlief fast auf der Stelle ein.
    Das Nächste, was er hörte, waren Stimmen. Stimmen in dem gleichen Haus, in dem er sich befand.

 
13. Kapitel
     
    »Aber Sir, dies ist ein nicht autorisiertes Dorf«, argumentierte jemand im Vorderzimmer des Hauses. »Sehen Sie denn nicht, dass hier seit Jahren niemand mehr war?«
    »Es hat sich in letzter Zeit eine Menge abgespielt, das von der Bevölkerungspolizei

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