Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
beugte mich hinunter und zog an der Pappe. Plötzlich hörte ich etwas klimpern. Es kam mir bekannt vor. Ein metallisches, rhythmisches Klimpern. Es war… ein Schlüsselbund! Ein Monster-Schlüsselbund. Der Hausmeister war im Anmarsch! Dieser alte Frau-Direktor-Schleimer. Wenn er mich bei der Mülldurchsuchung erwischte, würde er mich sicher sofort melden. Extrem suboptimal. Hektisch stemmte ich mich hoch, schwang die Beine über den Rand, sprang in den Container und hockte mich hin. Das Klimpern kam näher. Noch näher! Ich zerrte ein großes Pappstück unter meinen Füßen hervor und legte es über mich. Dabei sah ich, dass es sich bei dem roten Ding, wegen dem ich überhaupt hier drinsaß, um eine Salamiverpackung handelte, die ein Depp in den falschen Container geschmissen hatte. Na, das hatte sich ja gelohnt! Der Hausmeister blieb vor dem Container stehen und murmelte: »Wer hantiert hier nur immer an diesen Dingern rum?« Dann wurde es auf einmal dunkel. Sonnenuntergang im Zeitraffer! Ich hörte, wie der Deckel über mir einrastete. Na, super. Ganz großartig. Ich hockte im Dunkeln und lauschte. Das Klimpern konnte ich nicht mehr wahrnehmen. Vielleicht war er wieder weg. Ich hoffte es jedenfalls. Denn eines war klar: Ich musste hier so schnell wie möglich raus! Ich hob die Hände, ertastete den Deckel und versuchte, ihn zur Seite zu schieben, aber ich fand an dem glatten Metall keinen richtigen Halt, keinen Griff, an dem ich den schweren Deckel zu packen kriegte. Mit aller Kraft stemmte ich mich dagegen, schob jetzt noch einmal von innen, aber vergeblich. Ich war gefangen! Gerade dachte ich darüber nach, was ich in der nächsten Stunde für ein Fach verpassen würde, da hörte ich plötzlich ein Brummen. Eindeutig Motorengeräusche. Wie von einem… Lkw. Und dann lief mir ein Schauer über den Rücken, als ich erkannte, was das für ein Lkw sein musste. Es war ganz klar: die Müllabfuhr! Und wenn ich nicht in einer Müllpresse enden wollte, dann musste ich mir ganz dringend was einfallen lassen.
5
Scheiße.« Dumpf hallte meine Stimme durch den stählernen Sarg.
»Hallo?«, antwortete da jemand. Trotz des verzerrten Tons erkannte ich eine Mädchenstimme.
»Mach den Deckel auf, ich bin hier drin!«, rief ich hoffnungsvoll. Eine Sekunde später sah ich Licht. Und Noras Kopf, mit der Zigarette im Mund.
»Ach, du schon wieder«, sagte sie grinsend. »Die Müllabfuhr kommt. Der Schmitz macht denen gerade das Tor auf.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Du bist noch gerade rechtzeitig gekommen.«
Ich wollte rausklettern, aber sie hielt den Deckel immer noch halb zu. »Hey, lass mich raus«, sagte ich.
»Nur wenn du mir sagst, was du dadrin gemacht hast!« Sie lachte, als ob sie einen Scherz gemacht hatte. Hinter ihr erkannte ich den Hausmeister, der an dem Tor hantierte. Das orangefarbene Blinklicht der Müllabfuhr leuchtete über das Dach des Lagerhauses. Nora sah mich unverwandt an und mir wurde klar, dass sie es ernst meinte. »Okay, ich sag’s dir.«
Sie öffnete den Deckel, ich kletterte hinaus und sprang auf den Boden. »Dafür habe ich einen gut bei dir«, bestimmte Nora.
»Klingt fair«, sagte ich. »In Ordnung.« Ich schloss den Deckel. In dem Moment drehte sich der Hausmeister zu uns um. Nora zeigte ihm die Zigarette und rief: »Nur eine, Herr Schmitz, okay?«
Als er mich erkannte, machte er den Eindruck, als wollte er zu uns herüberkommen, aber zum Glück lenkte der einfahrende Müllwagen ihn ab und er wedelte nur herrisch mit der Hand zum Zeichen, dass wir verschwinden sollten. Nora trat die Zigarette aus. »Dass man hier nirgendwo rauchen darf, ist echt ätzend.«
Wir machten uns auf den Weg zurück zum Schulhof.
»Also, raus mit der Sprache. Was hast du im Altpapier gesucht?«, fragte sie unterwegs, und obwohl sie lässig tat, vibrierte ihre Stimme vor Neugierde. Ich überlegte kurz, ob ich ihr irgendeine Story auftischen sollte, von wegen, ich hätte mein Vokabelheft verloren, aber erstens war das nicht mein Stil und zweitens konnte sie mir vielleicht helfen, herauszufinden, wer das tote Mädchen war. »Es ist so«, sagte ich. »Ich habe gestern eine Leiche gesehen.«
»Was?« Sie blieb stehen und sah mich misstrauisch an.
»Ein Mädchen. Erstochen im Biolabor. Ich habe die Schulleitung alarmiert, und als die von Cappeln kam, da war sie weg. Verschwunden. Stattdessen saß ein Skelett auf dem Stuhl.«
»Sally?«
»Ja. Sally. Deswegen hat die von Cappeln gedacht, ich hätte einen Scherz
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