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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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Kunstlehrerin Beate Friedrichs des Öfteren den Blick von Pascal von Cappeln suchte, der aber vor sich hin stierte, die Hände ineinander verknotet, und ziemlich aufgelöst wirkte. Auch unser netter Mathelehrer Herr Nowak wirkte an dem Tag grau und leer, angesichts dieser Tragödie war auch ihm das Lachen abhandengekommen. Dann gab es einen Gottesdienst mit einem sympathischen Pfarrer, der die Gratwanderung zwischen salbungsvollem Ton und jugendlicher Sprache, zwischen Betroffenheit und Trost recht gut hinbekam. Wobei ich zugeben muss, dass ich sowieso davon abgelenkt war mitzukriegen, wann man aufstehen musste und wann man sitzen bleiben durfte. Die katholische Liturgie war mir einfach völlig unbekannt. Drei Schülerinnen, unter anderem meine Klassenkameradin Fabienne, spielten unter der Leitung von Pascal von Cappeln das Violinenstück, mit dem Laura bei dem Wettbewerb Jugend musiziert den zweiten Platz gewonnen hatte. Der Musiklehrer wirkte abwesend und an einer besonders traurigen Stelle der Komposition sah es so aus, als ob er in Tränen ausbrechen würde. Das taten im Publikum auch einige und das Weinen war ansteckend, auch ich musste mit den Tränen kämpfen.

15
    Nach der Gedenkfeier waren alle noch ganz mitgenommen und niemand wollte nach Hause. In ungewohnter Eintracht stand die ganze Klasse auf dem Schulhof. Die Cliquenbildung fiel aus. Selbst Milena gab sich heute mit uns Normalsterblichen ab. Ihre Ururgroßmutter war eine spanische Prinzessin gewesen, wie ich mittlerweile rausbekommen hatte, und auch der Rest der Familie konnte mit einem langen blaublütigen Stammbaum aufwarten. Aber heute war auch sie eine von uns, eine, die trauerte und entsetzt war. Und auch wenn ich die Neue war, spürte ich den Trost, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Nach einigem Small Talk über die Gedenkfeier sah ich den Lehrer von gestern mit der Schnulzensänger-Optik.
    »Rick Smith«, klärte mich Jennifer auf, die meinen neugierigen Blick bemerkte. »Englischlehrer für die Mittelstufe.«
    »Und der heißeste Hintern der Schule«, fügte Coco hinzu.
    »Hey Leute«, rief Kim plötzlich. »Ich habe mir gerade überlegt, dass wir Laura auch unter uns gedenken müssen, und möchte deswegen die ganze Klasse zu einer Trauerfeier am Samstag bei mir einladen.« Sie strich sich über ihr wasserstoffblondiertes Haar.
    »Gute Idee«, sagte Alina aufgeregt. »Sollen wir was mitbringen?«
    »Reiche Junggesellen«, scherzte Kim. »Aber wenn du Essen und Trinken meinst, dafür sorge ich schon. Und für den Rest auch«, deutete sie geheimnisvoll an.
    »Und was zieht man da an?«, fragte Nevaeh verwirrt. »Nur schwarz oder was?«
    »Ach«, sagte Kim, »ich würde jetzt mal keinen Dresscode vorgeben. Zieht einfach das an, von dem ihr denkt, dass es Laura gefallen hätte, nicht wahr, Milena?«
    Milena nickte gnädig.
    Coco legte Kim eine Hand auf den Arm. »Haare?«
    »Haare!«, wiederholte Kim aufgeregt. Schien so eine Art Code zu sein. »Meinst du echt, dein Vater hat noch einen Termin?«
    »Für mich immer. Und du kommst dieses Mal einfach mit«, sagte sie gönnerhaft. Jennifer und Irina sahen Coco hoffnungsvoll an, doch die ignorierte die beiden. Jennifer biss sich auf die Lippen und fragte: »Kann ich auch mit?«
    »Das wird dann zu viel«, sagte Coco kühl. »Vielleicht das nächste Mal.«
    Jennifers Blick flackerte, ihr schien es peinlich, vor allen anderen einen Korb zu bekommen. Auch Irina schaute enttäuscht. Nur Milena machte das nichts aus, sie war auch über das Thema Haare erhaben, kein Wunder bei ihrer brünetten Mähne, die in großen Locken ihr Gesicht umrahmte.
    »Ach«, sagte ich, um mal wieder auf den heutigen Anlass zu sprechen zu kommen, »das ist echt ganz schön traurig.«
    »Du kanntest Laura doch gar nicht«, bemerkte Jennifer skeptisch.
    »Nee«, sagte ich geheimnisvoll. »Aber ich werde sie noch kennenlernen.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Kim.
    »Na ja. Wenn ihr über sie erzählt, dann lerne ich sie kennen, auch wenn sie nicht mehr da ist.«
    »Das stimmt«, sagte Irina mit ihrem hübschen russischen Akzent. »Zum Beispiel meine Oma. Sie ist gestorben, als ich noch ein Baby war. Aber meine Eltern haben mir ganz viele Geschichten von ihr erzählt und jetzt ist es so, als ob ich sie noch kennengelernt hätte.«
    Einige der Umstehenden nickten.
    »Was hat Laura denn so am liebsten gemacht?«, fragte ich.
    »Geige gespielt hat sie toll«, sagte Alina. »Und Klavier auch.«
    »Sie war unheimlich gut in der Schule«,

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