Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
mal der große Nachteil einer Mädchenschule. Da gibt es leider keine Jungs.«
Am Anfang hatte ich gedacht, das wäre ideal. Denn nach Lukas war ich erst mal geheilt gewesen. Dass er sich als solcher Penner rausstellen würde, hätte ich nie gedacht. Als er vom langweiligen Hoodie-Jeans-Sport-Look auf die dunkle Seite der Mode gewechselt war und mit schwarzen Klamotten und längeren Haaren zum Emo geworden war, war er mir das erste Mal als süß aufgefallen. Auf dem Schulfest hatte er sich dann auch für das Projekt »Die ökologische Schule« eingetragen. Das fand ich super cool. Und wie er mich dann so schief zwischen den Haarsträhnen angrinste, bemerkte ich, dass er wirklich unglaublich schöne Lippen hatte, die ich gerne küssen würde. Er war wortkarg, aber auch das gefiel mir. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und fragte ihn, ob er mit mir ins Kino gehen wollte. Und nach der Vorstellung nahm er meine Hand, zog mich hinter sich her und gab mir zum Abschied einen Kuss auf den Mund. Ich schwebte im siebten Himmel! Aber schon am nächsten Nachmittag behandelte er mich wie Luft. Als ich ihn fragte, was denn los sei, antwortete er: »Das musst du doch wohl am besten wissen.« Und ließ mich links liegen. Silvy redete mir gut zu, Jungs seien halt Idioten und so weiter. Wir machten mit Marie und Lola ein lustiges Mädelswochenende, wo ich jede Menge Gummibärchen aß und mir die Augen ausheulte. Dass meine angeblich beste Freundin daran schuld war, dass Lukas nicht mehr mit mir sprach, hätte ich niemals geahnt. Und als ich dann schließlich von dem Chlamydien-in-Folge-von-massig-Liebhabern-Gerücht erfuhr, da dachte ich mir nur: Ein Junge, der so was von mir glaubt, ohne bei mir nachzufragen, der kann mich kreuzweise. Damit war das Kapitel Lukas für mich abgeschlossen gewesen.
»Ach, der Richtige wird schon noch auftauchen«, sagte meine Mutter und pikste mit ihrer Gabel ein Salatblatt auf. »Wie geht es eigentlich Justus?«
»Gut«, sagte ich und schaute auf die Uhr. Die Stunde war bald um und es wurde zu gefährlich, mich an so einem öffentlichen Ort blicken zu lassen. Zumindest ohne Tarnung. Es wurde dringend Zeit, undercover zu gehen. Ich stopfte mir den Rest von meinem Kaiserschmarrn in den Mund und sagte: »Oh, ich muss los. Ich geh jetzt zur Kosmetikerin.«
»Viel Spaß«, sagte meine Mutter. »Wir sehen uns später.«
Die Kosmetikerin war eine stämmige Frau mit großen Händen und unglaublich glatter Haut. »Ich habe jetzt aber gar keinen Termin frei«, sagte sie mit osteuropäischem Akzent.
»Kein Problem. Ich wollte mir auch nur eine Gesichtsmaske kaufen.«
»Da kann ich Ihnen eine leichte Feuchtigkeitsmaske empfehlen. Bei Ihrer jugendlichen Haut…«
»Ich will so eine, die echt gruselig aussieht«, unterbrach ich sie.
»Gruselig?«, fragte sie skeptisch und zog eine hauchdünne Augenbraue hoch.
»Ja, so eine in Grün oder Blau, mit der man sein ganzes Gesicht zukleistern kann. Die hatte ich schon mal und die hat super gewirkt«, schob ich noch hinterher.
»Meinen Sie die Tiefenreinigungsmaske aus jordanischer Heilerde?« Sie zeigte auf ein Tütchen, auf der eine Frau abgebildet war, die als Joker in Batman hätte mitwirken und von dem besten Gesichtserkennungsprogramm der Welt nicht hätte identifiziert werden können. »Das brauchen Sie bei Ihrem Teint aber nicht, im Gegenteil…«
»Die ist perfekt«, sagte ich mit Nachdruck. »Die will ich.«
»Nun gut, aber bitte beachten Sie…«
Langsam wurde ich ungeduldig. Ich konnte hier nicht meine wertvolle Spionage-Zeit mit einer übereifrigen Kosmetikerin verplempern. »Ich habe das schon total oft gemacht, ich weiß, wie das geht«, sagte ich. »Schreiben Sie es auf meine Zimmerrechnung.«
Widerwillig rückte sie das Päckchen raus und ich eilte auf die nächste Toilette, um mir die grüne Pampe ins Gesicht zu schmieren. Mit meinem Handtuchturban und dem Einheits-Bademantel des Hotels war ich nun ein Gast unter vielen. Die ideale Tarnung! Ich schlenderte zurück zum Spa-Bereich und fragte am Empfangstresen nach einem Massage-Termin. »Schwierig«, sagte der freundliche junge Mann, der sich über meinen Aufzug nicht im Geringsten zu wundern schien. »Wir haben hier nur noch vereinzelt…«
»Wenn ich mit reingucken dürfte, würde es schneller gehen«, sagte ich und er drehte den Monitor so, dass ich die Terminübersicht einsehen konnte. Ich bemerkte, dass Milenas Termin schon seit einer halben Stunde vorbei war. Sie war mir entwischt!
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