Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
suchen hilft.«
Enzo biss sich auf die Lippen. Was war denn nur mit ihm los? Und da erst merkte ich es. Mein Gesicht fühlte sich an wie ein in der Wüste zum Bleichen aufgespanntes Segeltuch. Alarmiert fasste ich an meine Wange, fühlte aber nur ein hartes Relief. Oh Gott! Die tiefenreinigende Maske! Sie war immer noch auf meinem Gesicht, hatte sich in eine steinharte, rissige Kruste verwandelt und dabei alle Feuchtigkeit aus meiner Haut gesogen, jeden Tropfen, jedes Fitzelchen. Jedwede Elastizität war eliminiert! Ich war eine Mumie geworden! Ich zog eine Grimasse, wobei ich das Gefühl hatte, dass meine Haut reißen müsste, und die trockene Heilerde rieselte in grünen Bröckchen auf meinen Bademantel. Aua!
»Diese Maske ist doch schon viel zu lange drauf«, stellte meine Mutter fest. »Tut das nicht weh?«
»Nein«, log ich. »Ein bisschen Nivea drauf, dann wird das schon.« Das sagte Oma Gertrud immer.
Der Hotelmanager nahm sein Telefon und sagte eilfertig: »Keine Sorge, Frau Sander. Ich rufe sofort Hilfe.«
»Nicht nötig«, sagte ich, aber meine Mutter zischte, ich solle jetzt mal schön still sein. Kurz darauf eilte die Kosmetikerin mit den Bratpfannenhänden auf mich zu. »Madonna«, rief sie, als sie das Desaster aus der Nähe betrachtete, und ihre Augenbrauenstriche schienen ihr aus dem Gesicht springen zu wollen.
Der Hotelmanager behielt seine freundliche Mimik, aber sein Ton war bedrohlich ruhig: »Frau Prohaska, wie kann denn so etwas passieren?«
Die Kosmetikerin stockte erschrocken und wusste nicht, was sie sagen sollte. Entweder sie müsste einen Behandlungsfehler zugeben oder mich öffentlich anschwärzen. Beides sicher für ihre berufliche Karriere in einem Fünf-Sterne-Hotel nicht förderlich.
»Frau Prohaska kann überhaupt nichts dafür«, erklärte ich sofort. »Ich habe drauf bestanden, die Maske selbst aufzutragen.«
Die Kosmetikerin entspannte sich ein bisschen. Meine Mutter rollte mit den Augen. Enzo drehte sich weg und prustete mit bebenden Schultern vor sich hin. Saftsack. Der Manager guckte weiterhin, als wäre es alles seine Schuld, und versprach uns als Wiedergutmachung einen Gutschein für eine Hot-Stone-Massage.
»Das ist nicht nö…«, sagte ich, aber meine Mutter funkte wieder dazwischen. »Vielen Dank, damit betrachten wir die Sache als erledigt«, unterbrach sie mich.
»Und natürlich wird Frau Prohaska jetzt alles tun, was in ihrer Macht steht, um den Schaden zu beheben.«
»Was für ein Schaden?«, rief ich und ein dickes Stück grüne Kruste schälte sich von meiner Stirn und mich überkam das Bedürfnis, meinen Kopf in eine Wanne voll kühler fettiger Mayonnaise zu stecken. Aber Frau Prohaska hatte dann doch ein besseres Mittel gegen ausgedörrte Haut. Sie führte mich in den bereits verdunkelten Kosmektikbereich, schaltete noch einmal das Licht an und brachte mich in eine Kabine, wo ich mich auf einen frotteeüberzogenen Behandlungsstuhl setzte. Sie wusch mir mit einem warmen Waschlappen die Reste der krümeligen Maske ab und strich mir mit einem Spachtel fingerdick eine Creme aufs Gesicht, das in Flammen aufzugehen schien.
»Das brennt am Anfang ein bisschen«, sagte sie überflüssigerweise. »Aber dann wird es schnell besser.«
»Ja«, sagte ich artig. Ich hatte nicht mehr vor, ihr zu widersprechen. Und sie verkniff sich jede Bemerkung über mein verantwortungsloses eigenmächtiges Handeln.
»Waschen Sie es nicht ab. Lassen Sie es über Nacht einwirken«, sagte sie. »Und kommen Sie morgen noch mal zu mir.«
Tag eins meines Spionage-Wellness-Wochenendes war ein ziemlicher Flop gewesen. Ich hatte der Spannkraft meiner Haut einen empfindlichen Schlag versetzt, hatte vielleicht mit siebzehn schon dafür gesorgt, dass ich mit vierzig aussähe wie eine runzelige alte Hexe, und hatte nichts rausgefunden, außer, dass man Kosmetikerinnen gelegentlich doch zuhören sollte. Pascal war nicht aufgetaucht, und dass er mitten in der Nacht noch aufschlagen würde, hielt ich dann doch für unwahrscheinlich. Vielleicht hatte Beate Friedrichs recht gehabt damit, dass er nicht mehr mit Milena zusammen war. Als ich später im Bett lag, konnte ich lange nicht schlafen, weil ich die ganze Zeit grübelte, was an der ganzen Sache nicht stimmte. Es war wie eine mathematische Gleichung mit einem falschen Faktor, der dafür sorgte, dass man niemals die richtige Lösung fand. Ich muss den falschen Faktor finden, dachte ich, bevor ich dann doch endlich einschlief.
Das Frühstück
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