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Gefährliche Gefühle - zu schön zum Sterben

Gefährliche Gefühle - zu schön zum Sterben

Titel: Gefährliche Gefühle - zu schön zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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bewirtschaftet werden. Und deswegen gab es eine Fähre von einem zum anderen Ufer, ein etwa drei mal vier Meter breites Floß an einem Seilzug. Es war schon lange nicht mehr in Betrieb – und wir Kinder hatten im Sommer darauf gespielt. Auf dem Floß war eine Stahlkiste befestigt, in der früher Werkzeuge verstaut worden waren. Und in dieser Kiste, da war ich mir sicher, würde ich die Tasche mit Philipps Medikamenten finden.
    Das Floß war da. Nur leider nicht am Ufer neben der Trauerweide, wo es sonst meistens lag, sondern in der Mitte des Gewässers. Das war ein Problem. Denn der Aaler See war zugefroren. Nichts bewegte sich, als ich an dem Stahlseil zog. So ein verdammter Mist. Ich musste über das Eis zum Floß. Extrem suboptimal. Vor dem Aaler See wurde im Winter immer gewarnt, weil es dort warme Quellen gibt und das Eis an manchen Stellen dünn sein kann. Ich hatte mich als Kind ausnahmsweise immer daran gehalten. Zu unheimlich war die Vorstellung, einzubrechen und im eisigen Wasser zu ertrinken.
    Ich betrachtete das Eis, das dunkel und still vor mir lag. Es war mehr als eine Woche bitterkalt gewesen. Erst seit heute lagen die Temperaturen wieder über null. Jetzt war nur die große Frage: Wie dick war die Eisschicht tatsächlich? Ich fand einen Steinbrocken am Ufer und warf ihn, so weit ich konnte, auf die Eisfläche. Es knallte, aber dann schlitterte der Stein weiter. Das Eis hielt. Aber würde es auch mich halten? Etwas weiter links von mir ragte ein abgebrochener Baumstamm in den See. Ich balancierte über die rissige Rinde bis zum Ende. Von hier waren es noch etwa fünf Meter bis zum Floß. Ich stellte mich probehalber mit einem Bein auf das Eis und verlagerte langsam das Gewicht darauf. Es hielt. Ich zog den zweiten Fuß nach. Schlurfend tastete ich mich vorwärts. Eingefrorene Luftblasen und Äste durchzogen das Eis, was ziemlich unheimlich aussah. Ich stellte mir mein Gesicht vor, tot und bleich, wie es unter dem Eis liegt, meine toten Augen, die in den bleiernen Himmel starren. Verdammt. Als ich noch zwei Meter vom Floß entfernt war, krachte es. Mit einem peitschenden Zischen riss das Eis. Panisch hockte ich mich hin und starrte gebannt auf den Riss. Wartete darauf, dass Wasser gurgelnd hindurchsickerte und mich in die eisige Tiefe zog. Verdammt. Meine Gedanken überschlugen sich. Wenn etwas brach, war der Druck zu groß. Ich wog 65 Kilo, mit den Klamotten vielleicht 67 Kilo. 67 Kilo verteilt auf die Fläche meiner Füße, das waren bei meiner Schuhgröße ungefähr 500 Quadratzentimeter oder 0,05 m 2 , 67 verteilt an 0,05, das macht … oh Scheiße! Das machte pro Quadratmeter einen Druck von 1340 kg aus, wenn ich nur auf einem Fuß stand, sogar 2640 kg! Ich war ja so ein elefantöser Idiot. Kein Wunder, dass das Eis zu brechen begann. Sofort ließ ich mich auf den Boden gleiten und legte mich flach auf den Bauch. So verteilte sich mein Gewicht auf vielleicht 7000 Quadrat-Zentimeter, das bedeutete 28-mal weniger Druck, als wenn ich auf einem Fuß stand. Das nannte ich mal eine wirkungsvolle Diät! Ich verharrte einen Moment und beobachtete das Eis. Es hielt. Vorsichtig schob ich mich die letzten Meter zum Floß. Als ich das kalte Holz zu fassen bekam, zog ich mich hoch. Mein Anorak war klitschnass. Mein Herz hämmerte und ich musste erst einmal tief durchatmen. Das Floß war sicher, das würde mich halten, das wusste ich von früher. Wenn jetzt die Tasche nicht in der Kiste war, würde ich vor Wut schreien. Ich klappte den schweren Deckel nach oben. Und atmete erleichtert auf. Da war sie. Eine dunkelblaue Reisetasche. Ich zog den Reißverschluss auf und betrachtete die Menge an verschiedenen Medikamenten. Ritalin, Equasym, Fluoxetin und andere Namen las ich. Wie kann man so ein Zeug nur nehmen, wenn man es nicht wirklich muss. Ich schloss die Tasche wieder, dann schleuderte ich sie aufs Eis und sie rutschte tatsächlich bis ans Ufer. Auch ich musste mich wieder auf den Weg Richtung Ufer machen. Wieder über das unheimliche, gesprungene Eis. Ich ließ mich in einem Meter Entfernung von dem Riss bäuchlings zurück auf den See gleiten und robbte Richtung Ufer. Robben an sich ist ja schon keine schnelle Fortbewegungsart, aber auf rutschigem Eis, das einem kaum Halt bietet, ist es eine äußerst enervierende Methode vorwärtszukommen. Ich bin von Natur aus schon kein geduldiger Mensch, aber die

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