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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Tochter haben keine Geschwister. Die Welt hat sich seit unserer Kindheit ziemlich verändert. Zumindest in der Stadt sind Einzelkinder inzwischen eher die Regel als die Ausnahme.«
    »Du und ich sind zu früh geboren.«
    »Mag sein«, sagte ich. »Vielleicht holt uns die Welt so langsam ein. Manchmal, wenn ich die beiden zu Hause miteinander spielen sehe, kann ich es gar nicht fassen. Es ist eine völlig andere Art, Kinder aufzuziehen. Als Kind habe ich immer nur allein gespielt. Ich glaubte, alle Kinder spielen so.«
    Das Klaviertrio beendete seine Version von »Corcovado«, und die Gäste applaudierten. Wie immer wurde das Spiel des Trios, je später der Abend wurde, desto wärmer, desto intimer. In den Pausen zwischen den Stücken trank der Pianist Rotwein, und der Baßmann rauchte.
    Shimamoto trank von ihrem Cocktail. »Weißt du, Hajime, anfangs war ich mir gar nicht sicher, ob ich hierherkommen sollte. Ich habe es mir fast einen Monat lang hin und her überlegt. Von deiner Bar hatte ich aus irgendeiner Zeitschrift erfahren, die ich so durchgeblättert hatte. Erst dachte ich, das müsse ein Irrtum sein. Daß ausgerechnet du eine Bar führen sollst! Aber da standen dein Name und dein Foto - der gute alte Hajime, der früher bei mir um die Ecke wohnte. Es freute mich, dich wiederzusehen, und wenn auch nur auf einem Foto. Aber ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee wäre, dich persönlich wiederzusehen. Vielleicht wäre es für uns beide besser, wenn wir uns nicht sähen. Vielleicht genügte es zu wissen, daß du glücklich bist und daß es dir gutgeht.«
    Ich hörte ihr stumm zu.
    »Aber da ich nun einmal wußte, wo du steckst, kam es mir wie Vergeudung vor, nicht wenigstens ein Mal herzukommen - und also bin ich hier. Ich habe mich da drüben hingesetzt und habe dich beobachtet. Wenn er mich nicht erkennt, dachte ich, gehe ich vielleicht einfach wieder, ohne etwas zu sagen. Aber ich hab's nicht ausgehalten. Es hat so viele Erinnerungen geweckt, da mußte ich dir einfach hallo sagen.«
    »Warum?« fragte ich. »Ich meine, warum dachtest du, es sei vielleicht besser, mich nicht wiederzusehen?«
    Gedankenverloren fuhr sie mit dem Finger um den Rand ihres Cocktailglases. »Ich dachte, wenn wir uns wiedersehen, würdest du alles über mich wissen wollen. Ob ich verheiratet bin, wo ich wohne, was ich in der Zwischenzeit getrieben habe und dergleichen. Hab ich recht?«
    »Nun ja, irgendwann wäre das Gespräch bestimmt darauf gekommen.«
    »Eben.«
    »Aber du möchtest lieber nicht darüber reden?«
    Sie lächelte etwas ratlos und nickte. Sie konnte auf unzählige verschiedene Weisen lächeln. »Genau. Ich will nicht über diese Dinge reden. Frag mich bitte nicht, warum. Ich will einfach nicht über mich reden. Ich weiß, daß es nicht normal ist, daß es so wirken muß, als wollte ich mich interessant machen, mich als die geheimnisvolle Lady of the Night aufspielen, oder was weiß ich. Darum dachte ich, wir sollten uns vielleicht besser nicht wiedersehen. Ich wollte nicht, daß du mich für eine sonderbare, eingebildete Frau hältst. Das ist einer der beiden Gründe, warum ich nicht herkommen wollte.«
    »Und der andere?«
    »Ich wollte nicht enttäuscht werden.«
    Ich blickte auf das Glas in ihrer Hand. Ich blickte auf ihr glattes schulterlanges Haar und ihre schöngeformten schmalen Lippen. Und in ihre unendlich tiefen dunklen Augen. Eine feine Falte unmittelbar über den Lidern ließ sie nachdenklich erscheinen. Diese Linie ließ mich an einen fernen Horizont denken.
    »Ich habe dich früher sehr gern gehabt, darum hatte ich keine Lust, dich wiederzusehen, nur um enttäuscht zu werden.«
    »Und - habe ich dich enttäuscht?«
    Sie schüttelte leicht den Kopf. »Ich habe dich von da drüben aus beobachtet. Anfangs sahst du aus wie jemand ganz anderes. Du wirktest so viel kräftiger durch den Anzug. Aber als ich dann genauer hinsah, entdeckte ich dahinter den Hajime, den ich gekannt habe. Ist dir eigentlich bewußt, daß du dich noch fast genauso bewegst wie damals mit zwölf?«
    »Nein, das wußte ich nicht.« Ich versuchte zu lächeln, aber es gelang mir nicht.
    »Wie du die Hände bewegst, die Augen, wie du ständig mit den Fingerspitzen auf etwas herumtrommelst, wie du die Augenbrauen immer ein wenig zusammenziehst, als passe dir irgend etwas nicht - das hat sich keine Spur verändert. Unter dem Armani-Anzug steckt noch derselbe alte Hajime.«
    »Nicht Armani«, korrigierte ich sie. »Hemd und Krawatte ja,

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