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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nachdrücklich den Kopf. »Überhaupt keinen. Es war alles furchtbar«, sagte sie.
    »Wir haben's schon schwer, wir beiden«, sagte ich. Ich beugte mich zu ihr hinüber und küßte sie auf die Stirn, und sie zog das säuerliche Gesicht, das die Besitzer französischer Nobelrestaurants aufsetzen, wenn man ihnen eine American-Express-Card vorlegt. »Morgen wird's bestimmt viel besser«, sagte ich zu ihr.
    Ich wollte das selbst gern glauben. Wenn ich am Morgen die Augen aufschlüge, würde ich eine neue Welt vorfinden, und alle Probleme wären gelöst. Aber diesen Tagtraum konnte ich mir nicht abnehmen. Denn ich hatte eine Frau und zwei Töchter. Und ich war in eine andere Frau verliebt.
    »Papa?« sagte meine Tochter. »Ich möchte gern reiten. Kaufst du mir irgendwann ein Pferd?«
    »Klar. Irgendwann«, sagte ich.
    »Wann ist irgendwann?«
    »Wenn Papa ein bißchen Geld zusammengespart hat. Dann kauft er dir ein Pferd.«
    »Hast du ein Sparschwein, Papa?«
    »Ja, ein ganz großes. So groß wie dieses Auto. Wenn ich nicht so viel Geld zusammenspare, wie da hineinpaßt, kann ich dir kein Pferd kaufen.«
    »Wenn wir Opa fragen, meinst du, der kauft mir ein Pferd? Opa ist reich.«
    »Das stimmt«, sagte ich. »Opa hat ein Sparschwein so groß wie das Haus da drüben, mit unheimlich viel Geld drin. Aber es ist so groß, daß es schwierig ist, das Geld da wieder rauszuholen.«
    Meine Tochter ließ sich das eine Zeitlang durch den Kopf gehen.
    »Aber kann ich Opa mal fragen? Ob er mir ein Pferd kauft?«
    »Sicher, frag ihn ruhig. Wer weiß, vielleicht kauft er dir ja sogar wirklich eins.«
    Wir redeten während der Heimfahrt nur von Pferden. Welche Farbe ihr Pferd haben sollte. Wie sie es nennen würde. Wohin sie gern reiten würde. Wo das Pferd schlafen würde. Ich setzte sie in den Privataufzug und fuhr zur Arbeit. Was würde der kommende Tag bringen? Die Hände am Lenkrad, machte ich die Augen zu. Ich hatte nicht das Gefühl, mich in meinem eigenen Körper zu befinden; mein Körper war nur eine einsame, zufällige Hülle, die ich mir vorübergehend ausgeliehen hatte. Was morgen aus mir werden würde, wußte ich nicht. Meiner Tochter ein Pferd kaufen - die Idee erschien mir nun unerwartet dringlich. Ich mußte es ihr kaufen, bevor alles verschwand. Bevor die Welt in Trümmer ging.

12
    Von da an bis zum Frühling sahen Shimamoto und ich uns fast jede Woche. Irgendwann nach neun kam sie in eine meiner Bars, meist ins Robin's Nest, setzte sich an die Theke, trank ein paar Cocktails und ging gegen elf wieder. Ich setzte mich zu ihr, und wir redeten. Ich weiß nicht, was meine Angestellten davon hielten, aber das war mir gleichgültig. Es war wie damals in der Grundschule, wo ich mich auch nicht darum geschert hatte, was meine Klassenkameraden von uns beiden hielten.
    Gelegentlich rief sie an und verabredete sich mit mir zum Lunch. Meist trafen wir uns in einem Coffee-Shop auf dem Omote Sando. Wir aßen eine Kleinigkeit und gingen anschließend spazieren; so verbrachten wir zwei, höchstens drei Stunden miteinander. Wenn es für sie Zeit wurde zu gehen, warf sie einen Blick auf ihre Uhr, lächelte mich dann an und sagte: »Jetzt sollte ich wohl besser los.« Mit ihrem gewohnten, wundervollen Lächeln. Die Empfindungen, die sich hinter diesem Lächeln verbergen mochten, konnte ich nicht entschlüsseln. Ob sie es traurig fand, gehen zu müssen, oder nicht so besonders traurig, ob sie vielleicht sogar erleichtert war, mich wieder loszusein - ich wußte es nicht. Ich hätte nicht einmal sagen können, ob sie wirklich nach Hause mußte.
    Jedenfalls redeten wir während der paar Stunden, die wir zusammen verbrachten, fast pausenlos. Unsere Körper berührten sich allerdings nie. Nicht ein Mal legte ich ihr den Arm um die Schultern oder nahm sie auch nur bei der Hand.
    Nun, auf den Straßen von Tokio, hatte Shimamoto wieder ihr kühles, anziehendes Lächeln. Nichts mehr von dem Ansturm leidenschaftlicher Empfindungen, den sie an jenem kalten Februartag in Ishikawa gezeigt hatte. Die Intimität, die an diesem Tag geboren war, hatte sich verflüchtigt. Wie in stillschweigender Übereinkunft erwähnten wir unseren seltsamen Ausflug mit keinem Wort.
    Wenn wir so nebeneinander hergingen, fragte ich mich oft, was für Gefühle sie hegen mochte. Und wohin diese Gefühle sie wohl führen würden. Manchmal sah ich ihr tief in die Augen, konnte darin aber nichts als ein sanftes Schweigen entdecken. Wie schon einmal erinnerte mich die Linie

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