Gefährliche Glut
schnell, dass Julie keine Chance hatte, sich vor ihm zu schützen. Eben noch hatte sie sich Rocco Leopardi als abscheulich selbstsüchtigen Vater ausgemalt, und jetzt stellte sie ihn sich als sinnlich arroganten Liebhaber vor, dem es nur darauf ankam, der Frau seiner Wahl seinen Stempel aufzudrücken.
Vor ihrem geistigen Auge stieg ein Gesicht auf, in dem sich ungezügelte Lust spiegelte … ihr eigenes.
Sie war so schockiert, dass sie anfing zu zittern.
„Ich gehe in die Küche und mache Josh eine Flasche“, erklärte sie, während sie verzweifelt versuchte, ihre chaotisch durcheinanderwirbelnden Gedanken wieder einzufangen.
Nach diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und lief eilig davon. Ihr Herz schlug so wild, dass ihr fast übel war.
„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich bei dem Steward, „aber ich glaube, Josh stört ziemlich. Ich mache ihm nur rasch sein Fläschchen, dann verschwinde ich wieder.“
„Lassen Sie sich ruhig Zeit“, erwiderte Russell ungerührt.
Die mit wildem Radicchio und Minze garnierten Lammkoteletts dufteten köstlich und sahen ebenso aus, aber Julie machte sich Sorgen um Josh. Hoffentlich trank er wenigstens diesmal und bekam nicht wieder Blähungen.
Rocco hatte seine Mahlzeit längst beendet, aber Julie Simmonds war noch immer im Schlafzimmer. Verärgert beschloss er nachzusehen, wo sie blieb, und bat Russell, den Tisch abzuräumen. Dann ging er nach nebenan.
Der Raum war nur von einer schwachen Lampe erhellt. Julie Simmonds lag schlafend auf dem Bett. So wirkte sie noch zerbrechlicher – falls das überhaupt möglich war. Eine Hand lag auf dem Kinderbett, als ob sogar im Schlaf ihre erste Sorge dem Kind gälte. Der Bademantel war ihr von einer Schulter geglitten und enthüllte ein spitzes Schulterblatt, das aufregend mit einer halb entblößten üppigen Brust kontrastierte.
Plötzlich mischte sich eine leise Melancholie in Roccos Gedanken. Obwohl er in eine der ältesten und reichsten Familien Siziliens hineingeboren war, hatte er diese Art zärtlicher Mutterliebe doch nie kennengelernt.
Aber wollte er wirklich ernsthaft behaupten, dass er dieses Kind um eine Mutter wie sie beneidete? Seine eigene Mutter war nur wenige Stunden nach seiner Geburt gestorben. Das war für ihn ein großes Unglück gewesen. Durch diesen Verlust hatte er allerdings auch gelernt, wie wichtig es war, von niemandem emotional abhängig zu sein. Und diese Unabhängigkeit wollte er nie mehr missen.
Rocco wollte sich eben abwenden, als er sah, dass sich in dem Kinderbett etwas regte. Das Baby war aufgewacht und schien ihn zu beobachten. Es war nicht möglich, in dem schwachen Licht seine Gesichtszüge zu erkennen, aber Rocco wusste auch so, dass der Junge dunkle Locken hatte. Trotzdem hatte er nicht das Gefühl, auf ein Kind zu schauen, das mit ihm verwandt war, und es stand ja auch noch gar nicht fest, dass der Junge wirklich ein Leopardi war. Doch ungeachtet dessen verspürte er plötzlich das starke Bedürfnis, dieses verletzliche Kind zu beschützen.
Es war gezeugt worden, jetzt war es auf der Welt, und irgendwer musste für es die Verantwortung übernehmen.
Und sollte sich tatsächlich herausstellen, dass Antonio der Vater war, würde sich Rocco die Verantwortung mit seinen Brüdern teilen.
Das Baby strampelte und verzog das Gesicht zu einem Lächeln, was Rocco veranlasste, sich spontan über das Kinderbett zu beugen. Im nächsten Moment wich er jedoch wieder zurück und drängte die sentimentalen Gefühle, die ihn unversehens beschlichen hatten, entschlossen zurück. Für so etwas hatte er als logisch denkender, praktisch veranlagter Mann keine Verwendung.
„Wir landen in einer halben Stunde. Der Pilot hat mich gebeten, Sie vorzuwarnen, dass es kalt ist und wahrscheinlich regnet.“
„In Sizilien?“, fragte Julie verblüfft. Irgendwie war sie davon ausgegangen, dass es dort das ganze Jahr über warm war.
„Die Insel ist von drei Meeren umgeben, da kann es im Winter unangenehm kalt werden. Aber gegen Ende des Monats ist Besserung in Sicht.“
Der Steward hatte sie mit einem Klopfen geweckt und ihr Tee gebracht, den zu trinken Julie keine Zeit hatte. Sie musste sich beeilen. Rocco hatte bestimmt kein Verständnis dafür, wenn sie nicht rechtzeitig fertig war.
Zuerst musste sie Josh anziehen. Sie wickelte ihn eilig, bevor sie ihn in einen warmen Daunenanzug steckte. Erst dann konnte sie an sich selbst denken.
Als sie ins Bad kam, musste sie zu ihrer Bestürzung
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