Gefährliche Glut
eingestellt hätten. Sobald sie seine Wärme spürte, musste sie gegen einen schier unbezähmbaren Drang ankämpfen, ihrer Schwäche nachzugeben. Am liebsten hätte sie sich hier auf die Stufen sinken lassen, beschützt von ihm. Sie wünschte sich, dass er seine Arme ganz fest um sie schlingen und sie nie wieder loslassen möge. Weil sie sich so sehr nach einem Mann sehnte, der stark genug war, um ihr ihre Last von den Schultern zu nehmen und ihren Schmerz zu teilen.
Wo kamen diese Gedanken auf einmal her? Der einzige Mann, nach dem sie sich je gesehnt hatte, der einzige, nach dem sie sich je sehnen würde, war nicht mehr am Leben.
Wie viel Zeit mochte vergangen sein? Wie lange lag sie schon so in seinen Armen, mit Herzklopfen und Tränen in den Augen, zu schwach, um auch nur den kleinen Finger zu rühren? Viel zu lange.
Wenn er nicht so prompt reagiert, wenn sie Josh fallen gelassen hätte … auf die Steintreppe … wenn der Kleine sich verletzt hätte, weil sie nur einen Moment unachtsam gewesen war …
„Geben Sie mir das Kind. Es sei denn, Sie wollen ihm ganz bewusst Schaden zufügen.“
Er wusste genau, wie er sie verletzen konnte. Und er verstand es, ihre Schwäche auszunutzen.
Benommen reichte Julie ihm ihren immer noch schlafenden Neffen.
Er war nur an Josh interessiert, und natürlich hatte er sie nur wegen Josh aufgefangen. Jetzt ging er mit dem Baby im Arm mit langen Schritten vor ihr die Treppe hinauf, ohne sie weiter zu beachten.
Plötzlich überfiel sie eine schreckliche Lethargie, wobei sie immer noch diese bizarre Sehnsucht verspürte, sich einfach hier auf die Stufen sinken zu lassen und die Augen zu schließen. Als Julie zu dem Eingangsportal hinaufschaute, bekam sie noch mehr Herzklopfen. Sie konnte nicht mehr, sie war schlicht am Ende, die Treppe war einfach zu steil. Aber sie hatte keine andere Wahl, als weiterzugehen, immerhin konnte sie nicht hier stehen bleiben. Ans Treppengeländer geklammert, begann sie sich mühsam Stufe für Stufe hochzuziehen, wobei sie sich bemühte, die stechenden Schmerzen in ihren Beinen zu ignorieren.
Rocco nahm bei jedem Schritt wütend zwei Stufen auf einmal. Er hatte das alles satt, diesen ganzen idiotischen Kram, den seine Familie ihm da abverlangte.
Sie hatte ihren Stolz.
Was wäre gewesen, wenn er sie nicht rechtzeitig aufgefangen hätte?
Sie hatte in seinen Armen gelegen, zitternd und mit Herzklopfen, wie ein in die Enge getriebenes Reh, das zu erschöpft war, um seinem Jäger zu entfliehen.
Sie hatte das Kind in Gefahr gebracht.
Sie hatte das Kind so entsetzt angeschaut, dass es schien, als ob sie ihre Seele entblößt hätte.
Sie war nur ein Flittchen, das ihn nicht interessierte.
Sie war eine besorgte, zärtliche, liebevolle Mutter, die ganz tief in ihm drin eine Saite berührte, die bestimmte, was er, fernab aller moralischer Kriterien, an einer Frau begehrenswert fand.
Julie atmete schwer. Irgendetwas Schreckliches passierte mit ihr, und sie war machtlos dagegen. Die Schmerzen in ihren Beinen, an die sie sich in den letzten Wochen schon fast gewöhnt hatte, wurden plötzlich so unerträglich, dass sie fast laut geschrien hätte.
Ihr Herz klopfte so zum Zerspringen, dass es ihr Angst machte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als sich setzen zu können … nein … hinzulegen. Julie umklammerte das Geländer, während sie sich mit letzter Kraft die noch verbliebenen Stufen hochzog und Rocco in die Villa folgte.
Normalerweise wäre sie von dieser Eingangshalle mit ihren kunstvollen Fresken und der breiten gewundenen Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, entzückt gewesen. An den Wänden hingen Gemälde, von denen jedes einzelne wahrscheinlich ein Vermögen wert war. Unter normalen Umständen hätte sie diese Kunstwerke mit Hingabe und in aller Ausführlichkeit betrachtet. Im Moment aber wollte sie nur eins: Sich so schnell wie möglich ausruhen. Jetzt war sie froh, dass Josh bei Rocco in Sicherheit war. Solange sie in diesem Zustand war, konnte sie wirklich für nichts garantieren.
Rocco sprach mit einer molligen Frau, vermutlich die Haushälterin, wie Julie annahm. Ihr schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Rocco übergab ihr Josh, und die Frau lächelte den Kleinen an.
Dann drehte er sich wieder zu Julie um und sagte: „Maria wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen.“
Julie nickte und schickte sich an, der Frau zu folgen, die bereits mit Josh die Treppe hinaufging.
Rocco runzelte die Stirn, während er Julie
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