Gefährliche Glut
blieben immer wieder stecken. Bald schlug ihr vor Anstrengung das Herz bis zum Hals. Erst als sich zwei kräftige olivfarbene Männerhände neben ihre Hände auf die Griffe des Buggys legten, bemerkte Julie, dass sie nicht mehr allein war.
„Rocco!“
Hörte Rocco die Erleichterung in ihrer Stimme mitschwingen? Falls ja, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Als sie ihm einen unsicheren Blick zuwarf, sah sie nur wütende Missbilligung in seinen Augen.
Sie war zwischen ihm und dem Buggy eingeklemmt, aber die Wärme, die er ausstrahlte, war so köstlich, dass sie nicht die Absicht hatte zu protestieren.
„Hier, zieh das an“, sagte er schroff. Ohne ihr Einverständnis einzuholen, legte er ihr eine schwere Lederjacke um die Schultern. Seine eigene Jacke, wie Julie erkannte, als ihr sein Duft in die Nase stieg. Er wartete nicht, bis sie seiner Aufforderung nachkam, sondern nahm ihre Hände von den Griffen des Buggys, um sie in die Ärmel zu stecken, während er den Buggy mit einer Hand festhielt.
„Die brauchst du doch selbst“, protestierte Julie, als ihr klar wurde, dass er die Jacke nicht zusätzlich mitgebracht, sondern ausgezogen hatte.
Er schüttelte nur den Kopf. Mittlerweile regnete es so heftig, dass ihm das durchnässte Hemd an seinem muskulösen Brustkorb klebte.
„Was ist los mit dir?“, fuhr er sie wütend an. Der Wind heulte so laut, dass er die Stimme heben musste. „Obwohl du dein Kind angeblich liebst, kommst du auf so eine idiotische Idee? Trotz Marias ausdrücklicher Warnung?“
Na toll, Maria hatte offenbar gepetzt. „Ich dachte mir, ein bisschen frische Luft würde Josh guttun.“
„Ach ja? Die hätte er sich genauso gut im Innenhof des Anwesens holen können, da wäre er wenigstens sicher gewesen.“
„Er ist sicher.“
„Bei dir ist er eben nicht sicher, wie man sieht!“
Jetzt reichte es Julie. „Wie kannst du so etwas behaupten? Ich würde Josh nie einer Gefahr aussetzen. Er ist schön warm eingepackt.“
„Und völlig von dir abhängig. Obwohl du nicht gesund bist und nicht einmal Treppen steigen kannst, ohne dabei ohnmächtig zu werden. Und dann machst du in diesem Zustand und bei diesem Wetter mit einem Baby, das ebenfalls kränkelt, einen Spaziergang? Wirklich, ich bitte dich! Wenn das nicht idiotisch ist!“
„Das ist unfair“, protestierte Julie. „Seit ich die Tabletten nehme, geht es mir schon viel besser.“
„Viel besser?“, wiederholte er in höhnischem Ton. „Na prima! Und warum bist du dann eben kaum vorwärtsgekommen? Ich frage mich sowieso, was mit den Engländern eigentlich los ist, dass sie auch noch bei dem schlimmsten Unwetter das seltsame Bedürfnis verspüren, durch die Gegend zu laufen? Wo bleibt denn da der gesunde Menschenverstand?“
„Torheit ist immer noch besser als Arroganz und Anmaßung“, konterte Julie.
Jetzt schob Rocco den Buggy allein. Er ging so schnell, dass Julie kaum Schritt halten konnte.
„Wie kommst du darauf, dass es dir besser geht?“, fragte Rocco sichtlich aufgebracht. „Schau dich doch an. Du schaffst ja kaum ein paar Meter. Und wage jetzt bloß nicht, das abzustreiten. Was zum Teufel denkst du dir dabei, rauszugehen, und dann auch noch ohne Mantel?“
„Was geht dich das an?“, brüllte Julie wütend gegen den Wind an. „Hast du Angst, ich könnte die Sachen ruinieren, für die du teuer bezahlt hast?“
„Mach dich doch nicht lächerlich. Du weißt genau, dass es mir um etwas ganz anderes geht. Ich mache mir Sorgen um das Kind, und genau das hättest du ebenfalls tun sollen. Du musst doch bemerkt haben, was sich da am Horizont zusammenbraut.“
Julie biss die Zähne zusammen und nickte widerstrebend. Natürlich hatte er recht.
„Der starke Wind hätte leicht den Buggy wegwehen können, ist dir das eigentlich klar?“
Rocco hatte nicht vor, ihr zu erzählen, wie er sich gefühlt hatte, als er früher als erwartet von der Baustelle zurückgekehrt war und erfahren musste, dass Julie und Josh das Haus verlassen hatten.
Er hatte nur raten können, wo sie hingegangen waren, und sie konnte von Glück sagen, dass er sich nicht geirrt hatte.
Himmel! Er war wirklich wütend, dass sie Josh in Gefahr gebracht hatte, nach dem ganzen Aufwand, den er betrieben hatte, um sie beide nach Sizilien zu holen. Falls der Junge nämlich tatsächlich Antonios Sohn war und ihm etwas zustoßen sollte, würde es für seinen alten Herrn nur einen einzigen Schuldigen geben, und das wäre niemand anders als er,
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