Gefährliche Glut
amüsiert sich nicht … nie mehr.“ Ihre Stimme brach. „Sie ist tot.“
Julie senkte den Kopf und konzentrierte sich darauf, ihre lange weiche Strickjacke glatt zu streichen, als ob es um ihr Leben ginge.
„Meine Schwester Judy, unsere Eltern, Judys Verlobter James und dessen Eltern kamen Anfang des Jahres bei einer Zugkatastrophe ums Leben. Sie wollten sich in Schottland ein Schloss ansehen, auf dem Judy und James vielleicht ihre Hochzeit feiern wollten. Judy hatte davon gelesen und war sofort begeistert. Josh hatten sie bei mir gelassen, weil …
„Weil sich deine Schwester nicht mit ihm herumärgern wollte.“
In seinen flüchtig dahingeworfenen Worten steckte eine Wahrheit, die sie schmerzlich berührte.
„Es ist nicht einfach, eine große Hochzeit zu planen, wenn man sich nebenbei auch noch um ein Baby kümmern muss“, verteidigte sie Judy. „Und Josh war nicht richtig gesund damals. Unsere Eltern haben es ebenfalls befürwortet, dass er bei mir bleibt.“
„Heißt das, dass deine Schwester die Frau war, mit der Antonio eine wie auch immer geartete Affäre hatte?“
„Ja, sie hat mir von ihm erzählt. Und … und dass sie schwanger war.“
„Hat sie dir gesagt, dass er der Vater ist?“
„Zumindest, dass es möglich wäre“, gab Julie vorsichtig zurück.
„Und sie war verlobt?“
„Ja, mit James.“
„James.“
Seinem Tonfall glaubte Julie entnehmen zu können, dass er sich an den Namen erinnerte.
„Aha. Dann würde mich jetzt aber noch Folgendes interessieren. James hast du ja vorher schon erwähnt, obwohl mir inzwischen nicht mehr klar ist, in welcher Rolle du es getan hast. In der Rolle deiner Schwester, oder warst du du selbst?“
Julie runzelte die Stirn.
„Entschuldige … ich verstehe nicht ganz.“
„War James dein Liebhaber oder der Liebhaber deiner Schwester?“, fragte er direkt.
Julie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Trotzig reckte sie das Kinn und schaute ihm offen in die Augen. „Zuerst war er mein Liebhaber und dann Judys. Und das erzähle ich dir, obwohl es dich absolut nichts angeht.“
Sie hatte nicht vor, irgendetwas zu erklären oder sich gar zu verteidigen. Sollte er von ihr doch denken, was er wollte.
Dr. Vittorio, der eine Weile am Fenster gestanden hatte, kam jetzt wieder auf sie zu und sagte entschieden: „Ich glaube das reicht, Rocco. Du weißt, dass der Junge nicht dein Neffe ist, und mehr brauchst du nicht zu wissen. Ich möchte mit Julie gern noch unter vier Augen über ihre eigenen Untersuchungsergebnisse sprechen, aber zuerst muss ich dir noch etwas sagen. Dein Vater hat heute Morgen angerufen und wollte unbedingt das Ergebnis des Gentests wissen.“
„Und? Hast du es ihm mitgeteilt?“
„Ja, allerdings nur, weil ich mir große Sorgen um seinen Gesundheitszustand mache. Diese ganzeAufregung bekommt ihm nicht, und ich wollte, dass endlich Schluss ist damit. Nachdem sich jetzt herausgestellt hat, dass Josh nicht sein Enkel ist, wird hoffentlich bald wieder Ruhe einkehren … obwohl er jetzt natürlich erst einmal seine Enttäuschung verkraften muss.“
Mit Sicherheit, dachte Rocco. Aber für Josh war diese Entwicklung wahrscheinlich ein Glück.
Julie war dem Arzt dankbar, dass er das Gespräch in andere Bahnen gelenkt hatte, und noch dankbarer, als er bat, ihr unter vier Augen die Ergebnisse ihrer Blutuntersuchung mitteilen zu dürfen.
Aber Rocco erhob ein weiteres Mal Einspruch. „Nichts gegen die ärztliche Schweigepflicht, Luca, allerdings muss ich dich warnen. Da ich an Julies Gesundheitszustand ein berechtigtes Interesse habe, werde ich alle meine Mittel ausschöpfen, um mir die Laborergebnisse zu beschaffen, falls du mich im Dunklen tappen lässt.“
Was meinte er mit „berechtigtem Interesse“? Wollte er sie daran erinnern, dass er die Arztrechnung bezahlte? Julie fühlte sich extrem unwohl in ihrer Haut. Es war ein demütigendes Gefühl zu wissen, dass sie es sich im Moment schlicht nicht leisten konnte, seine finanzielle Hilfe zurückzuweisen und ihm zu sagen, dass sie vorhatte, sämtliche bei dieser Reise angefallenen Kosten selbst zu tragen.
„Julie muss ihr Einverständnis geben.“
Beide schauten sie an.
Da er ihr Geheimnis mittlerweile kannte, war es sinnlos, sich zu weigern … außer ihrem Stolz zuliebe. Sobald er ihr die Arztrechnung präsentierte, würde es damit allerdings auch vorbei sein.
„Ich weiß wirklich nicht, warum dich das interessieren sollte, aber meinetwegen“, sagte sie zu
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