Gefährliche Intrigen
nur ein junges Mädchen, das ihre Familie schrecklich vermisst hatte. Sie erzählte stolz von ihrer Arbeit und von ihrer netten Herrin. Die haarsträubenden Abenteuer behielt sie aber dann doch lieber für sich.
Nach diesem schönen Nachmittag war sie gut gelaunt in das Zimmer ihrer Herrin geschlendert und hatte sich an ihre Arbeit gemacht. Kurz darauf wurde im Flur vor dem Zimmer gelacht, und Liz spitzte neugierig zur geöffneten Tür hinüber. Ihre Herrin lachte über etwas, dass ihr Gegenüber gesagt hatte, aber Liz konnte niemanden sehen. Eine freundliche Männerstimme wünschte eine gute Nacht und äußerte die Hoffnung, morgen einen Ausritt mit Lady Pears unternehmen zu können. Emma betrat rückwärts ihr Gemach und knickste zum Abschied vor Mister Scrope. Als Emma in ihrem Knicks versank, konnte Liz das Gesicht von Emmas Begleiter erkennen, und ein entsetzter Schrei entrang sich ihrer Kehle. Die beiden Personen in der Tür drehten sich überrascht zu der erschrockenen Zofe um.
»Da war eine Maus!«, versuchte Liz ihr Entsetzen zu erklären.
Aber die Gänsehaut, die ihren ganzen Körper überzog, blieb so lange, bis der Mann, der gestern Abend diese arme Magd im Gasthof geschändet hatte, wieder weg war.
Sie wollte sogleich ihrer Herrin davon erzählen, doch diese plapperte bereits wild darauf los, wie richtig die Entscheidung gewesen sei, hierher gekommen zu sein. Mit der Unterstützung ihrer Freundin, Lady Torrington, würde sich bestimmt bald eine Lösung finden. Und dieser Mister Scrope, sei er nicht wirklich nett? Auch er hätte sofort seine Hilfe angeboten, obwohl er sie ja schließlich gar nicht kenne. Immer noch völlig in ihre eigene Welt versunken, grübelte Emma darüber nach, ob es wohl klug wäre, Logan von ihren Schwierigkeiten zu berichten. Tausend Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Dabei entging ihr das merkwürdige Verhalten ihrer Zofe völlig.
Liz musste ihrer Herrin unbedingt berichten, was dieser Mann getan hatte, aber die Frage war doch: Würde ihr überhaupt jemand glauben? Wahrscheinlich nicht, denn wenn das Wort eines Gentlemans gegen das einer Zofe stand, war doch klar, wem man Glauben schenken würde. Liz beschloss schweren Herzens, ihr Wissen vorerst für sich zu behalten. Aber ihre Herrin würde sie von nun an nicht mehr aus den Augen lassen.
Kapitel 19
Salterdon
Als man in Salterdon am Morgen das Schlafgemach von Lady Pears betrat, war allen klar, dass sich hier etwas Schreckliches zugetragen haben musste. Wilbour war ganz blass vor Sorge um seine Nichte. Er durchsuchte das ganze Zimmer, und sein grimmiger Blick auf den elendig verendeten Hund verhieß nichts Gutes. Als Lady Davelle ihre Bonny so sah, brach sie weinend auf dem Fußboden zusammen und streichelte liebevoll das tote Tier.
»Nein, nein, nicht Bonny! Wie konnte das nur passieren!«
Wütende Schreie hallten durch das ganze Haus. Wilbour schaffte es nur unter größten Mühen, seine Gemahlin wieder zu beruhigen. Sie hatte das Hündchen wirklich sehr geliebt, denn eigene Kinder waren ihnen nicht vergönnt gewesen, und die Tiere hatten diese Lücke gefüllt. Doch Wilbour mochte Hunde eigentlich gar nicht. Er hatte jetzt ganz andere Sorgen!
Sofort rief er seinen Kammerdiener William Brown zu sich ins Arbeitszimmer:
»Hatte ich dir nicht den Auftrag gegeben, meine Nichte nicht aus den Augen zu lassen? Wo ist sie?«, fuhr er lautstark seinen Diener an.
Dieser aber hatte sich, nachdem Emma in ihrem Zimmer geblieben war, seinen anderen Aufgaben gewidmet und wusste darum nichts über den Verbleib der beiden Frauen.
»Ich denke, sie sind entführt worden, und damit der Hund nicht Alarm schlägt, wurde er vergiftet.«, vermutete der Diener.
Wilbour schüttelte über die Naivität seines Angestellten nur den Kopf. Doch es war noch nicht an der Zeit, ihm reinen Wein einzuschenken. Daher kam ihm diese Vermutung gerade recht.
»Ja, das war auch mein erster Gedanke! Meine arme Nichte! Sie hatte schon so viel Schreckliches erlebt, und jetzt auch noch das! Wir müssen sie finden! Du wirst dich unverzüglich auf die Suche nach ihr machen!«
Noch in derselben Stunde verließ William Salterdon, um eine Lady aus den Händen ihrer Entführer zu retten.
Diese Aufgabe erschien ihm dann aber doch einige Nummern zu groß. So machte er als Erstes in einer Kneipe halt und trank sich eine ganze Flasche Mut an. Er wusste ja gar nicht, wo er mit seiner Suche anfangen sollte. Da war es naheliegend, in Gasthäusern die
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