Gefaehrliche Liebe
wie er mir gelbe Blumen auf die Wangen malt, versetzt mir einen Stich. Alle tot. Alle weg.
Ich weiß nicht, wie lange wir noch so dagestanden hätten, wäre nicht ein silberner Fallschirm durch die Blätter geglitten und vor uns gelandet. Niemand streckt die Hände danach aus.
»Was glaubt ihr, für wen das ist?«, sage ich schließlich.
»Keine Ahnung«, sagt Finnick. »Was haltet ihr davon, wenn Peeta ihn bekommt? Weil er heute gestorben ist.«
Peeta knotet die Schnur auf und breitet das kreisrunde Stück Seide auf dem Boden aus. Auf dem Fallschirm liegt ein kleiner Metallgegenstand, den ich nicht einordnen kann. »Was ist das?«, frage ich. Keiner weiß es. Wir lassen ihn von Hand zu Hand gehen und untersuchen ihn der Reihe nach. Es ist ein Metallrohr, das sich am einen Ende leicht verjüngt. Am anderen Ende hat es eine kleine, nach unten gebogene Tülle. Es kommt mir vage bekannt vor. Ein Teil, das von einem Fahrrad abgefallen sein könnte, von einer Gardinenstange, es könnte alles Mögliche sein.
Peeta bläst hinein, um zu prüfen, ob es einen Ton macht. Macht es nicht. Finnick steckt den kleinen Finger hinein, um es als Waffe auszuprobieren. Unbrauchbar.
»Kannst du damit fischen, Mags?«, frage ich. Mags, die mit fast allem fischen kann, schüttelt den Kopf und grunzt.
Ich lege das Rohr auf meine Hand und lasse es hin und her rollen. Da wir Verbündete sind, arbeitet Haymitch bestimmt mit den Mentoren von Distrikt 4 zusammen. Er hat das Geschenk mit ausgesucht. Das bedeutet, dass es wertvoll ist. Uns sogar das Leben retten kann. Ich erinnere mich an letztes Jahr, als ich so nötig Wasser brauchte und er es mir nicht geschickt hat, weil er wusste, dass ich es finden konnte, wenn ich mir Mühe gab. In Haymitchs Geschenken oder in ihrem Ausbleiben verstecken sich wichtige Botschaften. Ich kann fast hören, wie er mich anknurrt:
Streng dein Gehirn an, falls du eins hast. Was ist das?
Ich wische mir den Schweiß aus den Augen und halte das Geschenk ins Mondlicht. Ich drehe und wende es, schaue es aus verschiedenen Winkeln an, bedecke einzelne Teile und gebe sie dann wieder frei. Damit es mir seinen Zweck verrät. Schließlich stecke ich frustriert ein Ende in die Erde. »Ich geb's auf. Vielleicht kriegen Beetee und Wiress es raus, wenn wir uns mit ihnen zusammentun.«
Ich strecke mich, lege die heiße Wange auf die Grasmatte, starre verärgert auf das Ding. Peeta reibt einen verspannten Punkt zwischen meinen Schultern und ich werde ein wenig lockerer. Ich frage mich, warum es sich kein bisschen abgekühlt hat, jetzt, da die Sonne untergegangen ist. Ich frage mich, was sie zu Hause wohl machen.
Prim. Meine Mutter. Gale. Madge. Ich stelle mir vor, wie sie mir zu Hause zuschauen. Jedenfalls hoffe ich, dass sie zu Hause sind. Nicht von Thread verhaftet. Oder bestraft wie Cinna. Wie Darius. Bestraft wegen mir. Alle.
Jetzt sehne ich mich nach ihnen, nach meinem Distrikt, meinem Wald. Ein anständiger Wald mit kräftigen Hartholzbäumen, reichlich Nahrung, mit Wild, vor dem man sich nicht ekeln muss. Rauschende Bäche. Kühle Brisen. Nein, kalte Winde, die diese erstickende Hitze wegblasen. Ich beschwöre einen solchen Wind mit meinen Gedanken, lasse mir von ihm kalte Wangen machen und taube Finger, und auf einmal hat das Metallding, das halb in der schwarzen Erde steckt, einen Namen.
»Ein Zapfen!«, rufe ich und setze mich kerzengerade auf.
»Was?«, fragt Finnick.
Ich ziehe das Ding aus der Erde und wische es sauber. Schließe die Hand um das sich verjüngende Ende, verberge es und schaue auf die Tülle. Ja, so ein Ding habe ich schon mal gesehen. An einem kalten, windigen Tag vor langer Zeit, als ich mit meinem Vater im Wald war. Es steckte fest in einem Loch, das in den Stamm eines Ahornbaums gebohrt war. Eine Öffnung für den Saft, der dann in unseren Eimer floss. Mit Ahornsirup wurde selbst unser fades Brot zu einer Leckerei. Nach dem Tod meines Vaters blieben seine Zapfhähne verschwunden, ich wusste nicht, was mit ihnen passiert war. Wahrscheinlich hatte er sie irgendwo im Wald versteckt. Wo niemand sie je finden wird.
»Das ist ein Zapfen. So was wie ein Hahn. Man steckt ihn in einen Baum und dann kommt Saft raus.« Ich schaue auf die kräftigen grünen Stämme um mich herum. »Na ja, es muss die richtige Sorte Baum sein.«
»Saft?«, sagt Finnick. Am Meer wächst auch nicht die richtige Sorte Bäume.
»Für Sirup«, sagt Peeta. »Aber in diesen Bäumen muss etwas anderes sein.«
Plötzlich
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