Gefaehrliche Liebe
zur Zwölf führen könnte«, sage ich.
Wir umrunden das Füllhorn und erforschen den Dschungel. Er ist verwirrend gleichförmig. Ich erinnere mich an den großen Baum, in den um zwölf Uhr der erste Blitz einschlug, doch in jedem Sektor gibt es einen ähnlichen Baum. Johanna schlägt vor, den Spuren von Brutus und Enobaria zu folgen, aber sie sind verweht oder weggewaschen worden. Es ist unmöglich, irgendetwas zu erkennen. »Hätte ich die Uhr doch nie erwähnt«, sage ich verbittert. »Jetzt haben sie uns auch noch diesen Vorteil genommen.«
»Nur vorübergehend«, sagt Beetee. »Um zehn, wenn die Welle kommt, sind wir wieder auf Kurs.«
»Genau, die ganze Arena können sie nicht neu designen«, stimmt Peeta zu.
»Was soll's«, sagt Johanna ungeduldig. »Du musstest es uns sagen, sonst hätten wir doch nie unser Lager abgebrochen, Dummerchen.« Eigenartig, aber ihre logische, wenn auch erniedrigende Antwort ist die einzige, die mich tröstet. Ja, ich musste es ihnen sagen, damit sie sich aufraffen. »Vorwärts, ich brauche Wasser. Hat einer ein gutes Bauchgefühl?«
Wir entscheiden uns für irgendeinen Streifen und folgen ihm, ohne zu wissen, auf welche Ziffer wir uns zubewegen. Als wir den Dschungel erreichen, spähen wir hinein und versuchen zu erraten, was uns dort erwarten mag.
»Müsste eigentlich die Affenstunde sein. Aber ich kann keine Affen entdecken«, sagt Peeta. »Ich schau mal, ob ich einen Baum anzapfen kann.«
»Nein, ich bin dran«, sagt Finnick.
»Dann gebe ich dir wenigstens Rückendeckung«, erklärt Peeta.
»Das kann Katniss übernehmen«, sagt Johanna. »Dich brauchen wir, um eine neue Karte zu zeichnen. Die andere ist doch weggespült worden.« Sie reißt ein großes Blatt von einem Baum und reicht es ihm.
Einen Augenblick lang keimt in mir der Verdacht auf, sie wollen Peeta und mich trennen und uns beide töten. Aber das ist unlogisch. Solange Finnick sich an dem Baum zu schaffen macht, bin ich im Vorteil, und Peeta ist viel stärker als Johanna. Also folge ich Finnick etwa fünfzehn Meter in den Dschungel hinein, wo er einen brauchbaren Baum findet und mit seinem Messer ein Loch hineinzustechen beginnt.
Wie ich so dastehe, mit schussbereitem Bogen, werde ich das beklemmende Gefühl nicht los, dass hier etwas vorgeht und dass es mit Peeta zu tun hat. Ich gehe die Ereignisse durch, von dem Moment an, als der Gong ertönte, und suche nach dem Grund für mein Unbehagen. Finnick, der Peeta von seiner Metallscheibe wegzieht. Finnick, der Peeta wiederbelebt, nachdem das Kraftfeld sein Herz zum Stillstand brachte. Mags, die in den Nebel rennt, damit Finnick Peeta tragen kann. Die Morfixerin, die sich zwischen Peeta und den Affen wirft. Der Kampf mit den Karrieros ging so schnell und war im Nu wieder vorbei, aber hat Finnick nicht Brutus' Speer abgefangen, bevor er Peeta traf, obwohl er dadurch Enobaria Gelegenheit gab, ihm ihr Messer ins Bein zu rammen? Und jetzt will Johanna, dass er eine Karte zeichnet, anstatt sich den Gefahren des Dschungels auszusetzen ...
Keine Frage. Aus mir völlig unerklärlichen Gründen versuchen einige der anderen Sieger, Peeta das Leben zu retten, selbst wenn es bedeutet, dass sie ihr eigenes opfern müssen.
Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Zum einen ist das doch meine Aufgabe. Und zum anderen weiß ich überhaupt nicht, was das soll. Nur einer von uns kommt hier heraus. Wieso haben sie dann beschlossen, Peeta zu beschützen? Was mag Haymitch ihnen gesagt haben, was hat er zum Tausch angeboten, damit sie Peetas Leben über ihr eigenes stellen?
Ich kenne meine ganz persönlichen Gründe, weshalb ich will, dass Peeta überlebt. Er ist mein Freund, auf diese Weise biete ich dem Kapitol die Stirn, untergrabe ihre schrecklichen Spiele. Doch wenn mich nichts mit ihm verbinden würde, weshalb sollte ich ihn retten wollen, damit er überlebt und nicht ich? Er ist tapfer, sicher, aber alle anderen sind auch tapfer genug gewesen, ihre Spiele zu überleben. Er hat ein besonders gutes Herz, das ist kaum zu übersehen, aber trotzdem ... und da endlich fällt mir ein, was Peeta so viel besser kann als wir anderen. Er kann mit Worten umgehen. In beiden Interviews hat er die Konkurrenz in Grund und Boden geredet. Und vielleicht liegt es an seinem guten Herzen, dass er durch seine Art zu reden eine Menschenmenge auf seine Seite ziehen kann. Ein ganzes Land.
Ich weiß noch, dass ich mal dachte, genau diese Gabe müsse der Führer unserer Revolution haben. Hat Haymitch
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