Gefaehrliche Liebe
gezwungenen Lächeln.
Genau wie letztes Jahr sitzen wir Hände haltend da, bis die Stimme mir sagt, ich soll mich startklar machen. Er begleitet mich zu der runden Metallplatte und zieht den Reißverschluss oben ganz zu. »Nicht vergessen, Mädchen in Flammen«, sagt er. »Ich setze immer noch auf dich.« Er küsst mich auf die Stirn und tritt zurück, als sich die Glasglocke über mich senkt.
»Danke«, sage ich, obwohl er mich wahrscheinlich nicht hören kann. Ich hebe das Kinn, trage den Kopf hoch, wie er mir immer rät, und warte darauf, dass die Metallplatte abhebt. Aber nichts passiert. Und immer noch nicht.
Ich schaue Cinna an und hebe fragend die Augenbrauen. Er schüttelt nur leicht den Kopf, genauso verwirrt wie ich. Weshalb die Verzögerung?
Plötzlich wird die Tür hinter ihm aufgerissen und drei Friedenswächter stürmen in den Raum. Zwei drehen Cinna die Arme auf den Rücken und legen ihm Handschellen an, während der dritte ihm mit solcher Gewalt gegen die Schläfe schlägt, dass er auf die Knie sinkt. Doch sie schlagen ihn mit ihren metallbesetzten Handschuhen immer weiter, bis er überall im Gesicht und am Körper klaffende Wunden hat. Ich schreie wie am Spieß, schlage gegen das Glas, das nicht nachgibt, und versuche, zu ihm zu gelangen. Die Friedenswächter beachten mich gar nicht, sie ziehen Cinnas schlaffen Körper aus dem Raum. Nur die Blutspuren auf dem Boden bleiben übrig.
Elend und panisch merke ich, wie die Metallplatte abhebt. Ich bin immer noch an das Glas gelehnt, als mir eine Brise in die Haare fährt und ich mich zwinge, aufrecht zu stehen. Gerade noch rechtzeitig, denn jetzt entfernt sich das Glas und ich stehe ungeschützt in der Arena. Irgendetwas scheint mit meinen Augen nicht zu stimmen. Der Boden ist zu hell und leuchtend und hört nicht auf zu schwanken. Mit zusammengekniffenen Augen schaue ich auf meine Füße und sehe, dass die Metallplatte von blauen Wellen umgeben ist, die über meine Stiefel schwappen. Langsam hebe ich den Blick und sehe das Wasser, das sich in alle Richtungen erstreckt.
Ich kann nur einen klaren Gedanken fassen.
Das ist kein Ort für ein Mädchen in Flammen.
Teil 3
Der Feind
19
»Meine Damen und Herren, die fünfundsiebzigsten Hungerspiele sind eröffnet!« Die Stimme von Claudius Templesmith, dem Moderator der Hungerspiele, hämmert mir in den Ohren. Ich habe weniger als eine Minute Zeit, mich zu orientieren. Dann wird der Gong ertönen und die Tribute können sich von ihren Metallplatten entfernen. Doch wohin?
Ich kann nicht klar denken. Die ganze Zeit habe ich Cinna vor Augen, wie er blutig am Boden liegt. Wo ist er jetzt? Was tun sie ihm an? Foltern sie ihn? Bringen sie ihn um? Verwandeln sie ihn in einen Avox? Offenbar sollte der Anschlag auf ihn mich aus dem Gleichgewicht bringen, genauso wie Darius' plötzliches Auftauchen in meinem Quartier. Und er hat mich wirklich aus dem Gleichgewicht gebracht. Am liebsten würde ich auf meiner Metallplatte zusammenbrechen. Aber nach allem, was ich gerade mit angesehen habe, ist das kaum möglich. Ich muss stark sein. Das bin ich Cinna schuldig, der alles riskiert hat, indem er Präsident Snow verhöhnt und mein Brautkleid in das Gefieder eines Spotttölpels verwandelt hat. Und ich bin es den Rebellen schuldig, die, durch Cinnas Beispiel ermutigt, in diesem Moment vielleicht kämpfen, um das Kapitol zu stürzen. Meine Weigerung, die Spiele nach den Regeln des Kapitols zu spielen, soll mein letzter rebellischer Akt sein. Also beiße ich die Zähne zusammen und mache gute Miene zum bösen Spiel.
Wo bin ich?
Ich werde aus meiner Umgebung immer noch nicht schlau.
Wo bin ich?!
Ich verlange eine Antwort von mir und langsam bekommt die Welt Konturen. Blaues Wasser. Rosa Himmel. Weiß gleißende Sonne, die vom Himmel knallt. Ach ja, da ist das Füllhorn aus goldglänzendem Metall, etwa vierzig Meter entfernt. Erst sieht es so aus, als befände es sich auf einer runden Insel. Doch bei genauerem Hinsehen erkenne ich schmale Streifen Land, die strahlenförmig von der Füllhorninsel ausgehen wie die Speichen eines Rades. Es sind schätzungsweise zehn bis zwölf und sie scheinen alle den gleichen Abstand voneinander zu haben. Zwischen den Speichen ist nur Wasser. Wasser und je zwei Tribute.
So ist das also. Es gibt zwölf Speichen, dazwischen jeweils zwei Tribute, die sich auf Metallplatten halten. Der zweite Tribut in meinem Wasserkeil ist der alte Woof aus Distrikt 8. Er befindet sich zu meiner Rechten,
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