Gefährliche Liebe unter dem Hakenkreuz (Junge Liebe) (German Edition)
zwischen ihnen war anders als das zu Richard. Samuel war für sie der Bruder, neben dem sie sich behaupten wollte. Dem sie immer mal wieder klar machen musste, dass er nicht ihr Leben bestimmen konnte. Bei Richard hatte sie das Gefühl, auf ihn aufpassen zu müssen. Er war ein Träumer, ein Fantast, und wenn er sie mit seinen blauen Augen anstrahlte, stiegen fast mütterliche Gefühle in ihr auf. Das Knirschen von Autoreifen auf dem Kiesweg holte sie aus ihren Gedanken. Sie bückte sich unter der Wäscheleine hindurch und sah in Richtung der Auffahrt. Es war ungewöhnlich, dass um diese Uhrzeit jemand bei ihnen vorbeikam. Als sie den Wagen erblickte und das Hakenkreuz darauf sah, wurden ihr Mund trocken und ihre Hände feucht. Sie rieb sie an ihrer Schürze ab. „Frau Rosenberg?“ Ein Mann, der etwa in ihrem Alter war, war aus dem Fahrzeug gestiegen und sah sie an. „Nein.“ Silke zögerte kurz, bevor sie einen weiteren Schritt auf ihn zumachte. Seine SA-Uniform wirkte furchteinflößend. Aber sein Wesen war freundlich. Er hatte grüne Augen und die braunen, leicht gelockten Haare umrahmten sein Gesicht. „Fräulein Rosenberg. Meine Mutter ist im Haus.“ „Fräulein Rosenberg ... es tut mir leid ... ich weiß nicht, wie das geschehen konnte.“ Heinrich überlegte, wie er ihr erklären sollte, dass ihr Bruder verletzt auf der Pritsche lag und er wahrscheinlich daran Schuld war. „Ihr Bruder ... er ...“ „Was ist mit Richard?“ Silkes Knie wurden weich. „Er liegt hinten auf der Pritsche des Wagens. Er hatte einen Unfall.“ Erst jetzt bemerkte sie den verbeulten Kühlergrill. Eilig umrundete sie das Auto und schlug sich die Hand vor den Mund, als sie ihren Bruder erblickte. Sein Gesicht war blass und verdreckt. Sein rechtes Bein war eigenartig verdreht und das Hosenbein blutverschmiert. „Richard!“ Silke kletterte auf die Pritsche und kniete sich neben den Verletzten. „Hallo, Schwester.“ Er sah sie mit einem glasigen Blick an. „Es tut mir leid wegen deinem Fahrrad.“ „Jetzt lass doch das Rad aus dem Spiel. Das ist jetzt nicht wichtig. Hast du Schmerzen?“ Sie zog ihr Taschentuch aus der Schürze, befeuchtete es mit Spucke und begann ihm das Gesicht zu reinigen. „Hör auf damit.“ Richard schob ihre Hand weg. Er hasste es, wenn sie das tat. „Wir sollten ihn zu einem Arzt bringen. Das sollte sich jemand mal ansehen.“ Heinrich stand neben dem Wagen und beobachtete die Geschwister. „Sie haben recht.“ Behände sprang Silke von der Pritsche. „Ich hole schnell unsere Mutter.“ „Ein Freund meines Vaters hat in Mainz eine Praxis. Er ist Chirurg. Bestimmt kann er helfen.“ Die junge Frau nickte ihm kurz zu und verschwand dann im Haus. Heinrich sah ihr hinterher, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Verletzten widmete. „Es tut mir leid. Wirklich. Ich hätte besser aufpassen sollen.“ „Mich trifft genauso viel Schuld.“ Richard fuhr sich mit der Hand über die Wangen. Er spürte den feinen Staub auf seiner Haut. „Ich habe geträumt. Aber verraten Sie das bitte keinem. Sonst kann es sein, dass nicht nur ein Bein in Mitleidenschaft gezogen wird.“ Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als er versuchte zu schmunzeln. „Wir können froh sein, dass Samuel im Moment nicht da ist.“ Frau Rosenberg kam mit ihrer Tochter aus dem Haus, betrachtete kurz den SA-Mann, der sich mit ihrem Sohn unterhielt, und begutachtete dann das verletzte Bein. „Sie haben recht, Herr ...“ „Oh, entschuldigen Sie. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Heinrich von Wiesbach.“ Er deutete eine kurze Verbeugung an, die Frau Rosenberg mit einem Kopfnicken zur Kenntnis nahm. „Herr von Wiesbach. Sie haben recht. Richard muss zum Arzt. Aber wir haben kein Auto.“ „Das ist kein Problem. Ich werde ihn selbstverständlich fahren. Der Freund meines Vaters wird ihm bestimmt helfen können.“ Heinrich spürte, wie er unter dem Blick der Frau nervös wurde. Sie war gut zwei Köpfe kleiner als er, die Haare grau und die dunklen Augen blickten wach und aufmerksam in seine Richtung. „Und Sie bekommen dann auch keine Schwierigkeiten? Immerhin sind wir Juden.“ „Lassen Sie das ruhig mein Problem sein. Schließlich bin ich ja mit schuld an dem Unfall.“ „Gut.“ Sie beugte sich über die Seitenwand des Wagens und fuhr ihrem Jüngsten zärtlich über die Wange. „Silke wird mit euch fahren. Ich bleibe hier und werde Samuel informieren, wenn er zum Mittagessen nach Hause kommt.“ Richard
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