Gefährliche Liebe unter dem Hakenkreuz (Junge Liebe) (German Edition)
wortkarg und mit mangelnden Informationen, was seine privaten Aktivitäten anging. Richard sah, wie dieser das Haus betrat. Er hörte die Haustür, die sich schloss, und die Stufen der Treppe, die unter dem Gewicht des Älteren knarrten. Die Flurbeleuchtung war erloschen. Mit einem bestimmenden, aber leisen Geräusch wurde die Tür zu Samuels Zimmer zugezogen. Jetzt war es ruhig im ganzen Haus. Er lauschte in die Stille, öffnete das Fenster und setzte sich auf die Fensterbank. Im Garten tanzte eine Gruppe von Glühwürmchen einen Reigen. Er lehnte den Kopf gegen den Rahmen und sah ihnen dabei zu. Ob es diese possierlichen Tierchen auch in England gab? Ob er sich dort wohl fühlen würde? Heinrich war zuversichtlich, was das anging. „Du bist ein umgänglicher Mensch. Offen und ehrlich. Sie werden dich mögen und Silke auch. Außerdem bin ich ja bald da. Du wirst sehen: Alles wird gut.“ Heinrichs Worte waren deutlich in seinem Gehirn zu hören. „Ich ziehe dir die Ohren lang, wenn du Unrecht hast“, murmelte er in die Nacht. Dann fiel ihm das Foto ein, das sein Freund ihm vorhin gegeben hatte. Er zog es aus der Tasche seiner Jacke, die neben ihm über dem Stuhl hing, und betrachtete es. Es war die Aufnahme, die in Köln in dem Atelier entstanden war. Allerdings die Aufnahme, die sie in ihrer privaten Kleidung zeigte. Auf dem Foto sah er Heinrich an, während dieser frontal in die Kamera blickte. Sein Blick war ernst, so als wollte er stumm sagen: Vermassle die Aufnahme nur nicht. Vorsichtig fuhr Richard mit den Fingerspitzen über das Papier. Fast so, als hoffte er, Heinrichs Wärme spüren zu können. Er lächelte das Foto, seinen Freund, an. Richard schloss das Fenster und ging zum Bett. Dort angekommen knipste er die Nachttischlampe an, streckte sich auf dem Bett aus und betrachtete wieder das Foto. „Du schläfst noch nicht?“ „Du doch auch nicht“, antwortete er seiner Mutter, die die Tür geöffnet hatte. Er lächelte ihr tapfer entgegen, als sie sein Zimmer betrat und sich neben ihn auf das Bett setzte. Wie früher, als ich klein war. Mama sitzt an meinem Bett, wenn ich nicht schlafen kann. Der Wunsch, sich wie als Kind in ihren Schoß zu kuscheln, kam plötzlich. Er rollte sich auf die Seite und legte seinen Kopf auf ihren Oberschenkel. „Das hast du lange nicht gemacht.“ Sie streichelte ihm über die blonden Haare. Ihre Berührung fühlte sich warm und vertraut an. „Darf ich das Bild mal sehen?“ Er hob die Hand und gab es ihr. „Eine schöne Aufnahme. Du siehst glücklich aus. Herr von Wiesbach wirkt durch und durch aristokratisch. Wenn er kein 'von' in seinem Namen hätte, müsste man es ihm nachträglich verleihen.“ „Mama!“ Richard lachte leise. Auch ihm war schon der Gedanke gekommen, dass der Nachname Müller, Meier oder Schulz bei Heinrich unangebracht wäre. „Mama, ich wollte dir noch sagen ...“ „Schss. Du musst dich nicht rechtfertigen. Ich habe eine Zeit gebraucht, bis ich es verstanden habe. Aber, wenn ich dich so ansehe, dann weiß ich, dass es dir damit gut geht.“ „Du verstehst es?“ Er drehte sich so, dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. Es wirkte klein, fast unwirklich. „Dann kannst du es mir vielleicht erklären. Ich verstehe es nämlich nicht.“ „Die Liebe kann man nicht erklären. Sie kommt einfach. Die fragt nicht um Erlaubnis.“ Richard schluckte, bevor er erwiderte: „Mama, ich will nicht weg von hier. Ich will dich nicht alleine lassen. Bitte, komm mit uns.“ „Nein. Ich gehe hier nicht weg. Mein letzter Wunsch ist, dass ich neben meinem Mann liege. Ich vermisse ihn schon so lange. Ja, ich freue mich fast darauf, ihn wiederzusehen.“ Sie betrachtete immer noch das Foto, aber der Blick war nach innen gewandt und sie lächelte. „Wie hält man das aus ohne die Person, die man liebt?“ „Es ist schwer, aber ich habe meine Erinnerungen. Und – wenn mich niemand hört – dann rede ich mit deinem Vater. Wir streiten uns sogar manchmal. Ein Teil von ihm ist immer bei mir geblieben.“ Richard nickte nachdenklich und nahm ihr das Foto aus der Hand. Er hoffte, dass ihm von Heinrich mehr als nur Erinnerungen blieben. Durch zwei geschlossene Zimmertüren drang Samuels Schnarchen bis zu ihnen vor. Sie sahen sich an und grinsten. „Ich würde zu gerne wissen, was er treibt, wenn er weg ist.“ Das Bett knarrte, als er die Beine aufstellte. „Er versucht wohl so etwas wie einen Widerstand aufzubauen.“ Ihre Hand fuhr ihm über die Haare, während
Weitere Kostenlose Bücher