Gefaehrliche Liebe
Mein Zimmer hatte einen Abfluss, eine kleine Rille vor der Schiebetür. War mir bis jetzt nicht aufgefallen.
»So, das reicht! Jetzt kannst du ins Bad.«
Noch nie stand ich so lange unter der Dusche, viermal verteilte ich Shampoo in meinen Haaren, ich spülte meine Ohren aus und bedachte vor allem meine hübschen Schuhe mit einer gründlichen Reinigung. Frisch geföhnt bekam ich einen Bikini von Damian und durfte anschließend hinauf zu den anderen Mädchen an den Pool. Inzwischen sollte mein Boden gereinigt werden und wieder trocknen.
Auf der Terrasse fand ich ein ruhiges Plätzchen auf einer Liege im Schatten. Ich wollte einfach nur allein sein und musste ein paar klare Gedanken fassen. Nur schwer konnte ich mich daran erinnern, was David überhaupt gesagt hatte. Da war zum einen die Drohung, dass mir dasselbe jeden Tag widerfahren könnte, und die Bedingung, ich durfte keinem von gestern erzählen? Oder besser gesagt, ich durfte nicht erzählen, was ich mit Santiago gemacht hatte, so war es formuliert. Es war ihm offenbar unangenehm. Und zwar sehr. Deshalb musste er mich jetzt so erniedrigen. Ich war also doch zu weit gegangen. Obwohl er mich gestern noch so überschwänglich gelobt hatte ... vor David. Und ich hatte ehrlich gedacht, es hätte ihm gefallen.
Ich seufzte. Das Zweite, was mich beschäftigte, waren noch immer die ungeklärten Identitäten. Santiago konnte nicht dabei gewesen sein, dessen war ich mir sicher, sonst hätte er garantiert den letzten Part selbst übernommen und nicht David vorgeschickt. Aber die anderen drei? Damian ... Keathan ... und Jude? Vermutlich. Hayle und Liam kamen nie in den Keller. Aber vielleicht Marcus und Edward?
Als ich mich auf der Terrasse umblickte, waren Jude, Edward und Keathan die einzigen Badegäste, abgesehen von den Mädchen. Das gab mir Hoffnung, David nicht begegnen zu müssen. Keathan war mit Estelle im Pool beschäftigt, während Jude sich zu mir setzte.
»Wie geht’s dir?«, fragte er scheinheilig.
»Nicht gut!«, entgegnete ich.
»Sind wir schon wieder schlecht drauf? Wegen des kleinen Zimmers? Wegen der Schuhe?«
Ich sah ihn an, als spreche er Japanisch. »Der Wievielte warst du?«, fragte ich ohne Umschweife.
»Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst«, konterte er gelassen, doch sein Lächeln verriet ihn. Ich wusste es! Er konnte mich gar nicht ansehen vor lauter Grinsen.
»Du bist ein schlechter Schauspieler!«, tadelte ich ihn.
Irgendwie konnte ich ihm nicht den gleichen Respekt entgegenbringen wie den anderen. Er war mit seinen siebenundzwanzig Jahren auch viel zu jung für so etwas ... und viel zu nett ... und zu hübsch. Seinem Aussehen nach konnte er keiner Fliege etwas zuleide tun. Und noch nie hatte meine ungehaltene Art ihm gegenüber nennenswerte Konsequenzen gehabt. Auch wenn er sich aufspielen wollte wie Santiago, er konnte ihm nicht das Wasser reichen.
Weiter grinsend wechselte er das Thema. »Gehst du mit mir schwimmen?«
Eigentlich wollte ich nicht. Aber warum fragte er überhaupt? Santiago hätte nie gefragt. Wenn er schon so nett fragte, konnte ich genauso gut auch verweigern. Aber ich wollte ihn nicht unnötig herausfordern. Sollte er doch so ein hübscher, netter Junge bleiben.
»Ja klar!« Ich stand schon mal bereitwillig auf.
»Du bist auch keine gute Schauspielerin!«, befand er kühl.
Ich fühlte mich ertappt. Vielleicht hatte er doch ein bisschen mehr Menschenkenntnis, als ich vermutet hatte. Schließlich gab ich klein bei und versuchte, mich zu erklären: »Ich dachte, du möchtest schwimmen gehen. Ich habe dir gehorcht.«
Jetzt lächelte er nicht mehr, er stand auf und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Ich hab dich auf den Rücken gedreht, Kleines«, flüsterte er in mein Ohr. Und noch bevor ich seine Aussage richtig begriffen hatte, fasste er entschlossen meine Hand und mir blieb gar keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
Plötzlich war ich fasziniert von ihm.
Zum ersten Mal musste ich mit den High Heels in den Pool. Ich klammerte mich an seine Hand, um nicht über die paar Stufen zu rutschen. Jude war also heute Morgen der Dritte gewesen. Obwohl ich schon vermutet hatte, dass er dabei war ... es mit Sicherheit zu wissen, fand ich weitaus schlimmer. Er lehnte sich an den Poolrand und ich machte meine ersten Schwimmversuche. Eigentlich wollte ich ihm gar nicht mehr so nahe kommen. Und auch nicht mit ihm reden. Er beobachtete mich, wie ich untertauchte und meine Haare anschließend nach hinten auswrang.
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