Gefaehrliche Maskerade einer Lady
war, ganz gleich ob sie Ehrengast am Tisch des Kapitäns war oder nicht. „Mir gefällt das Kleid“, erklärte sie.
Rafe fand es an der Zeit, sich an der Konversation zu beteiligen. „Mir auch. Es ist apart und elegant. Im Übrigen, Mrs Ferris, die Farbe ist sehr wohl etwas Besonderes. Einen Stoff zu finden, der so wunderschön mit Miss Cleeves Augen harmoniert, beweist doch einen auffallend guten Geschmack, finden Sie nicht?“
Während sich die anderen Gäste Ayishas Augen zuwandten und die beiden jungen Offiziere Rafes Aussage bestätigten, kniff die alte Dame verbissen die Lippen zusammen.
Miss Cleeve nippte an ihrem Wein und blinzelte Rafe über den Rand ihres Glases zu. Er hatte Mühe, ernst zu bleiben.
„Unsinn“, beeilte sich Mrs Grenville, ihrer Freundin beizustehen. „Der Stoff ist überall erhältlich, eine ordinäre Eau de Nil-Farbe.“
„Eau de Nil“, antwortete Ayisha träumerisch. „Nilwasser, meine Augen sind also so schön wie das Wasser des Nils. Ein schöneres Kompliment konnten Sie mir gar nicht machen. Vielen Dank, Mrs Grenville.“
Mrs Grenville lächelte erfreut, dann warf sie ihrer Freundin einen schuldbewussten Blick zu.
Rafe ergriff wieder das Wort. „Miss Cleeves Gepäck ist leider unterwegs verloren gegangen, und sie war gezwungen, sich in aller Eile neu einzukleiden. Ich finde, das ist ihr erstaunlich gut gelungen, nicht wahr? Ich würde mich nicht wundern, wenn originelle Akzente wie diese Bordüre am Rock in London als Dernier Cri Furore machen.“ Er lehnte sich zurück in der Gewissheit, dass seine modische Erscheinung seiner Aussage Nachdruck verlieh.
„Offenbar ging auch ihre Zofe unterwegs verloren“, sagte Mrs Ferris spitz.
„Aber nein“, widersprach Ayisha überzeugt. „Meine Zofe hat überraschend die Stelle bei der Gattin eines wohlhabenden Kaufmanns angenommen.“ Sie zwinkerte Rafe warnend zu, sie nicht zu verraten.
Rafe bestätigte ihre Aussage in einem gelangweilt näselnden Ton. „Man kann es dem Mädchen kaum verdenken, sich finanziell besserzustellen. Zu dumm nur, dass sie Miss Cleeve kurz vor unserer Abreise im Stich ließ.“ Er schwenkte den Wein in seinem Glas und fügte sinnend hinzu: „Wie ich höre, reisen die Dame mit ihren Zofen.“ Er lächelte die Freundinnen von Mrs Ferris einnehmend an, worauf diese augenblicklich anboten, die bedauernswerte Miss Cleeve könne jederzeit über ihre Mädchen verfügen.
Mrs Ferris blieb keine andere Wahl, als sich diesem Angebot anzuschließen, wollte sie nicht unhöflich erscheinen. „Meine Zofe Woods wird Ihnen in ihrer Freizeit gerne zur Hand gehen“, sagte sie, und ihre Lippen waren kaum noch sichtbar.
Nach dem Dinner gingen Rafe und Ayisha aufs Oberdeck. Die Nacht war lau, und es wehte ein leichter Wind. Die Gischt rauschte, die Segel schlugen und die Schiffsplanken unter ihnen knarrten leise.
Ayisha breitete die Arme aus, wandte das Gesicht direkt in den Wind und sog die kühle klare Luft genussvoll ein. „Herrlich! Ich habe noch nie so köstlich saubere Luft eingeatmet.“
Rafe lächelte stumm. Sie hielt die Enden ihres Schals zwischen den Fingern, der dünne Stoff blähte sich und verlieh ihr das Aus-sehen eines Vogels mit ausgebreiteten Schwingen, der im nächsten Moment hochfliegen würde. Der Wind presste ihr dünnes Kleid an ihren Körper, und im fahlen Schein des Halbmonds zeichneten sich die Konturen ab.
Sie hatte so anmutig schlanke weibliche Formen.
Sein Mund wurde trocken.
Die Spitzen ihrer runden, festen Brüste reckten sich im kühlen Windhauch. Sie waren jahrelang flach gebunden und nun endlich frei.
Er trat an die Reling und blickte über die seidige Gischt der Wellen hinauf in den Sternenhimmel. Der Mond war nur eine Sichel, doch er leuchtete hell.
Für die Dauer dieser Reise war Ayisha für ihn unerreichbar. Seine Ehre gebot ihm, ihr nicht zu nahe zu kommen. Lady Cleeve hatte ihm ihre Enkeltochter anvertraut. Sie auf der Reise zu kompromittieren war nicht Teil dieser Abmachung.
Es war auch nicht sein Wunsch, auch wenn er diese Frau noch so sehr beehrte.
Wenn ihre gemeinsame Reise Anlass zu Spekulationen gäbe, würde es Ayishas Ruf schaden.
Er aber wünschte sich, sie würde ihn aus freien Stücken wählen, um seiner Person willen. Sie sollte nicht gezwungen sein, ihn zu heiraten, um die guten Sitten zu wahren.
Sie wusste nichts über seinen Hintergrund. Der Titel eines Earls bedeutete ihr nichts. Vielleicht hielt sie ihn für einen reichen Mann, aber sobald sie
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