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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Braun
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einfach zu rücksichtsvoll, um es auszusprechen.
    Plötzlich verliere ich meinen Abstand zu der Situation, ich betrachte sie nicht mehr aus sicherer Entfernung. Ich rutschte zurück mitten ins Geschehen, dahin, wo es weh tut. Ich wende mich zum Fenster. »Lassen Sie mich raten. Sie könnten mir damit drohen, jemanden zu töten, den ich mehr liebe als alles andere auf dieser Welt.«
    Benicio legt eine Hand auf meine Schulter. Ich sehe ihm in die Augen. Jemand der so attraktiv ist wie er, hat es normalerweise leichter im Leben als andere. Schöne Frauen werfen sich ihm wahrscheinlich an den Hals. Männer bieten ihm Jobs an. Mir fällt auf, dass er Kinder haben könnte, eine Frau, die sich irgendwo zu Tode sorgt.
    »Sind Sie verheiratet?«
    Benicio nimmt seine Hand zurück und schüttelt den Kopf. »Ich war mal verlobt. Mit einer Frau in Los Angeles.«
    »Haben Sie dort gelebt?«
    »L.A., New York, Chicago, Miami.«
    »Deswegen ist Ihr Englisch so gut.« Wahrscheinlich Feldarbeit oder am Fließband. Fast hätte ich nicht gefragt. »Was haben Sie da gemacht?«
    Nun ist es Benicio, der aus dem Fenster blickt. Ich spüre die Erinnerungen, die ihm durch den Kopf schießen. »Menschen zum Lachen gebracht.«
    »Menschen zum Lachen gebracht.«
    »Ja. Ich war Komiker.«
    »Sie machen Witze.«
    »Und gute«, meint er.
    »Moment mal. Sie meinen, wie ein Stand-up-Comedian?«
    Benicio nickt.
    »Das ist ja komisch. Also mal ehrlich.« Ich muss kurz lachen. »Sie wissen schon, wie ich das meine.« Ich denke daran, wie lustig er am Pool mit dem Hund herumgetollt hat.
Du schummelst, Pepe.
Wie elegant und fließend er sich da bewegt hatte. Ich kann ihn mir leicht auf der Bühne vorstellen. »Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der sein Geld damit verdient, andere Leute zu unterhalten. Was Arbeit angeht, kenne ich nur all die ernsthaften Jobs.«
    »Ja, offenbar haben Sie noch nie davon gehört, dass Komiker ein ernsthafter Beruf ist.«
    »Anscheinend nicht.«
    Die Stimmung ist plötzlich drückend. Wir schweigen. Ich bezweifle nicht, dass wir beide daran denken, was wir verloren haben, ein Gefühl plötzlicher Bodenlosigkeit unter den Füßen.
    Wir machen uns über die Reste von Brot und Käse her. Das Wasser ist fast leer.
    Dann nimmt Benicio das Thema plötzlich an der Stelle wieder auf, wo wir in Schweigen verfallen waren. »Der Trick dabei ist, dass es ganz leicht aussieht. Das ist die Kunst. Man muss Erwartung aufbauen und sie dann befriedigen. Timing ist alles, wie es heißt. Und die überraschenden Wendungen. Das ist gar nicht so einfach.«
    »Haben Sie deswegen aufgehört?«
    Er schüttelt den Kopf. »Jetzt kommt der witzige Teil. Wenn man sich illegal in einem Land aufhält, sollte man wahrscheinlich nicht unbedingt etwas tun, womit man Aufmerksamkeit erregt.«
    »Sie sind ausgewiesen worden?«
    »Live. In den Sechs-Uhr-Nachrichten.«
    Unzählige Bilder aus den Nachrichten schießen mir durch den Kopf, von Immigranten in Handschellen, die durch einen Maschendrahtzaun marschieren, hinter dem sie in den weit offenen Türen eines Gefängniswagens verschwinden. Ich weiß jetzt, wie es ist, in einem kleinen Raum eingesperrt zu sein, seinem Schicksal ausgeliefert. »Das tut mir leid.«
    »Es war meine eigene Schuld. Ich bin damit bekannt geworden, dass ich mich über die Stereotype lustig gemacht habe. Die Tätowierungen der Gangs, über Gastarbeiter, Taco-Köche, Leute, die in Handschellen ausgewiesen werden.«
    »Nein.«
    »Oh ja. Und irgendjemand hat herausgefunden, dass ich bei einer Razzia aufgeflogen bin und schon passierte sie live, die Sechs-Uhr-Satire. Leben, das die Kunst imitiert. Der letzte Lacher geht auf mich.«
    »Das tut mir wirklich leid.«
    »Eigentlich würde ich eher sagen,
das hier
ist der letzte Lacher. In einem illegalen Händlerring für verschreibungspflichtige Medikamente gefangen zu sein.« Er schüttelt den Kopf, als wolle er damit sagen, wie lächerlich das alles ist.
    Wir lachen leise. Ohne darüber nachzudenken, lasse ich meine Hand auf sein Knie fallen. Plötzlich verändert sich die Stimmung. Einen Moment lang weiß ich, dass ich meine Hand schnell zurückziehen und so tun sollte, als sei überhaupt nichts geschehen, doch ich lasse diesen Augenblick verstreichen.
    Er betrachtet meine Hand einen Moment, dann legt er seine eigene darüber.
    Wolken schieben sich vor die Abendsonne. Die Luft wird schwer und feucht. Eine kräftige Brise trägt den fernen Geruch nach Regen heran.
    Wir beide können den

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