Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
sonst immer nur Parfüm, der kalte Regen oder Seths warme Lippen ihren Weg fanden. Ich muss fast darüber lachen, was ich aufgegeben habe, damit die Welt sich weiter dreht, eine Welt, die mich und Oliver schließlich in einen tiefen Schacht hinabgespült hat, der so dunkel und gefährlich ist, dass ich ihn mir bis zum heutigen Tag in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.
Ich werfe Benicio einen Blick zu, als könne er meine Gedanken lesen. Doch er scheint in seine eigene Welt eingetaucht zu sein. Er hat eine Hand zur Faust geballt und lässt immer mal einen Finger vorschnellen, als zähle er etwas.
Draußen, außerhalb dieses Raums, herrscht ein wirres, ein für mich undurchdringliches Chaos. Doch eingeschlossen hier drin werden meine Gedanken auf einmal glasklar.
Isabel öffnet die Tür und schiebt ein Tablett mit Essen herein. Am Fenster dreht sich Benicio um und ruft nach ihr, doch sie schließt die Tür und verriegelt sie wieder, ohne ihn auch nur anzusehen.
Ich fühle mich wach und klar, beobachte alles, achte auf jede Kleinigkeit, immer auf der Suche nach einem Hinweis, wie ich hier rauskommen kann. Ich betrachte die Dinge auf dem Tablett, eine Scheibe Weichkäse und Graubrot. Zwei ungeöffnete Flaschen Wasser. Ich sehe, wie Benicio durch den Raumkommt, ein Schauspieler auf der Bühne. Er hebt auf der rechten Seite der Bühne das Tablett hoch und trägt es zur Mitte, wobei er mir einen freundlichen, ja, sagen wir es, wie es ist, sexy Blick zuwirft.
Er setzt sich mitten auf den Boden. Mit einer sanften Kopfbewegung fordert er mich auf, zu ihm zu kommen.
Ich dagegen befinde mich im Moment auf einer ganz anderen Ebene. Ich schwebe über allem, beobachte, kalkuliere. Ich setze mich zu ihm, als sei es ein Picknick.
Er schraubt eine der Wasserflaschen auf und gibt sie mir. Dann öffnet er auch eine für sich und trinkt sie in einem Zug aus. Abwechselnd reißen wir uns ein Stück von dem Käse und vom Brot ab. Irgendwo weint ein Baby. Das Eisentor schlägt klappernd zu.
Mir wird klar, dass ich eigentlich nie richtig erwachsen geworden bin. Jonathon hat sich in so vieler Hinsicht um mich gekümmert, wie Eltern sich um ein Kind kümmern. Ich muss mir keine Sorgen um die Abzahlung der Hypothek machen oder irgendwelche Nebenkosten oder wie ich meine Honorare investiere, noch habe ich jemals darüber nachgedacht, etwas für Olivers Collegeausbildung zurückzulegen. Um solche Dinge kümmern sich immer die Erwachsenen und all das geschieht unbemerkt, sozusagen hinter den Kulissen. Als Jonathon mich gebeten hat zu bleiben, anstatt damit zu drohen, mich zu verlassen, wie ein anderer Mann es wahrscheinlich getan hätte, hatte es auf mich gewirkt, als sei er derjenige, der um Vergebung bitten würde.
Ich bin kein guter Ehemann gewesen. Verlass mich nicht
. Als würde er mich anflehen, bei dem Mann zu bleiben, der mir etwas angetan hat. Wie könnte er einfach aus meinem Lebenverschwinden? Ganz plötzlich und für immer, wie mein Vater? Wie meine Mutter?
Als ich begreife, ziehe ich scharf die Luft ein. Was ich nicht verstehe, ist, warum Jonathon wollte, dass ich bleibe, nach dem, was ich getan hatte. Seit Jahren habe ich darüber immer mal wieder nachgegrübelt. Jetzt frage ich mich, ob es etwas mit dieser ganzen Situation zu tun hat.
»Es gibt da noch etwas«, sagt Benicio.
Seine Stimme lässt mich zusammenfahren.
»Ich denke, der Grund, warum man Sie hat duschen und sich umziehen lassen, war der, dass Sie eigentlich ein Flugzeug hätten besteigen sollen. Irgendwas muss passiert sein.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich glaube, ihr Mann hat denen Ihren Reisepass gebracht. Zumindest hat es danach geklungen.«
»
Was
hat danach geklungen?«
»Ich habe nicht alles genau verstanden. Und Ihr Mann spricht Spanisch mit starkem Akzent. Aber ich glaube, er wollte, dass ihr Reisepass hier bleibt, nur für alle Fälle.«
Ich warte darauf, dass er fortfährt.
»Das ist der Teil, den ich nicht genau verstanden habe.«
Nagende Zweifel machen sich in meinem Magen breit. Was, wenn ich das alles nun falsch verstehe? Was, wenn Jonathon aus Versehen an diese Leute geraten ist, und als er begriff, worum es eigentlich ging, war es zu spät? Was, wenn er nur so tut, als würde er noch mitspielen, um mich hier rauszubekommen?
»Vielleicht treffen Sie ihn ja in der Schweiz.«
»Was bringt die auf die Idee, ich würde einfach so in ein Flugzeug steigen, ohne um Hilfe zu schreien?«
Benicio sieht mich an. Er ist
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