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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Braun
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meinem Vater zu reden. An jenem Morgen hatte er mich angebrüllt, dass ich mich beeilen solle. Er hat nicht oft geschrien. Es war ihm nicht gut gegangen. Aber ich hatte nicht auf ihn gehört. Es war mir egal. Ich wechselte mein T-Shirt zum zehnten Mal, und wir kamen beide zu spät.
    Ich wollte mich bei ihm entschuldigen. Ich wollte ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe. Ich wollte, dass er mich fragt: »Und was hat mein kleiner Rabenkopf vor?«
    Noch bevor er das Krankenhaus erreichte, hörte sein Herz für immer auf zu schlagen. Michael Mahon hatte zum ersten, vielleicht zum einzigen Mal in seinem Leben die Wahrheit gesagt.
    Ich denke darüber nach, während ich zwischen Büschen und Bäumen an einem Gebirgsbach mit Stromschnellen entlang hinter Benicio den Berg hinauftrotte. Ich versuche, an irgendetwas anderes zu denken, als an Jonathons Lügen und den Schmerz in meinen Beinen. Meine Schienbeine jucken von den vielen winzigen Kratzern. Ich habe nie eins dieser Bücher zu Ende gelesen. Bis zum heutigen Tage kann ich nicht mal einen Blick darauf werfen, ohne dass mich ein Gefühl von Verlust überfällt. Ich bin nie gut in Mathe gewesen, aber nach dem Tag damals konnte ich kein Mathebuch mehr öffnen, ohne daran zu denken, wie es mich von meinem Vater ferngehalten hatte, in dem es mir immer wieder aus der Hand gefallen war. Ich hasse Mathe. Und Finanzwesen ebenso. Es half mir auch nicht besonders, dass meine Mutter damals anfing, sichfür den Aktienmarkt zu interessieren. Als ich älter wurde, hatte ich dann zwar verstanden, dass sie gezwungen war, irgendetwas zu tun, um das fehlende Einkommen meines Vaters auszugleichen. Aber damals hatte ich immer ein komisches Gefühl im Magen, wenn ich sah, wie sie über die Sonntagszeitung gebeugt akribisch den Dow Jones durchging.
    Moskitos zerstechen meine Haut, von der Hitze und durch den Blutverlust wird mir schwindelig. Heiseres Kreischen, Schreie, Bellen. Die Geräusche der Tiere des Dschungels zerren an meinen Nerven. Bei jedem Schritt blüht der Schmerz in meinem Bein auf und die ganze Zeit muss ich an Zahlen, an Geld und Finanzen denken und die Macht, die all das besitzt, um einen Menschen erfolgreich zu machen oder sein Leben zu zerstören, und ich hasse es nur umso mehr.
    Ich erinnere mich an die vielen Male, die Jonathon in der Küche saß und mit gerunzelter Stirn seinen Laptop betrachtete, und wie schnell er dann ein Lächeln aufsetzte, wenn ich an ihm vorbeiging. Als habe man einen Schalter umgelegt. Wieder an, wieder aus. Hatte er Isabel gemailt? Inzwischen hat er wahrscheinlich das Geld sowohl von meinem Girokonto als auch meinem Sparkonto abgeräumt und das Depot meiner Mutter geplündert, das allerdings so bescheiden ist, dass es mich nur in sentimentaler Hinsicht schmerzt, was Jonathon mit Leichtigkeit übergehen wird. Aber dieses Aktiendepot gehört zu den wenigen Dingen, die mir von meiner Familie geblieben sind. Einer der letzten Beweise dafür, dass es mal einen Ort gegeben hatte, wo ich hingehörte.
    Jonathon hat mich wegen so vieler Dinge angelogen, ist zu mir ins Bett gekrochen, hat mit mir geschlafen und mir gesagt,er würde mich lieben, und so getan, als sei ihm nichts wichtiger, als mich glücklich zu machen, doch in Wirklichkeit hat er mir nur im Weg gestanden.
    Nachdem wir uns eine Stunde durch den Dschungel gekämpft haben, machen Benicio und ich halt, um etwas zu trinken.
    »Du musst den Verband wechseln«, sagt er. Er hatte mir Antibiotika und Tylenol mit Codein gegeben, was sich auf die Schmerzen allerdings kaum ausgewirkt hat.
    Der Mull ist blutdurchtränkt. Meine ganze Wade geschwollen.
    »Setz dich«, sagt Benicio, dessen Gesicht hier draußen fast noch entstellter wirkt. Was müssen wir beide für ein Anblick sein? Grässliche Kreaturen, die wie halb verzehrte Beute durch den Dschungel fliehen.
    Ich ziehe die Waffe aus dem Bund meiner Shorts und setze mich langsam auf den Boden. Der Schmerz pulsiert tiefer in meinem Bein, sobald die Belastung wegfällt.
    »Achte auf Schlangen«, sagt Benicio. Er lagert meinen Fuß auf ein Stück Holz.
    Ich denke, er macht Witze, aber dann begreife ich, dass es hier natürlich Schlangen gibt und auch noch vieles andere, wovon ich nicht mal eine Ahnung habe.
    Er löst den Verband von meiner Wade, darunter kommt ein Loch von der Größe einer Weintraube hervor.
    »Die Kugel hat dir ein Stück Fleisch aus dem Bein gerissen«, sagt er und saugt mit den sauberen Enden des Verbands das Blut aus der kleinen

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