Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
ohne Isabel aus den Augen zu lassen.
Ich liege immer noch am Boden, der Schuss dröhnt in meinen Ohren. Ich habe Angst, mir mein Bein anzusehen.
»Celia!«, brüllt er.
Ich sehe hin. Blut strömt über meine Wade. Der Anblick des Einschusslochs verstärkt den Schmerz. Ich wische das Blut fort, aber es kommt immer wieder welches nach.
Benny jammert weiter.
Isabel schreit Benicio an.
Benicio schreit nach mir. Er schiebt sich zur Seite, um einen Blick auf mein Bein werfen zu können, ohne Isabel aus denAugen lassen zu müssen. »Scheiße, scheiße, scheiße«, sagt er und funkelt seine Schwester voller Hass an.
»Ich bin okay«, sage ich. »Ich gehe nicht ein. Ich könnte ein, zwei Stiche gebrauchen, aber sonst bin ich okay.«
»Schnell«, sagt Benicio zu mir. »Der Schrank mit den Medikamenten ist im Badezimmer unter dem Waschbecken. Da müsste auch eine Mullbinde sein.«
Ich halte den Atem an und hüpfe ins Badezimmer, wobei ich versuche, mir die Schmerzen während Olivers Geburt ins Gedächtnis zu rufen. Aus dem Schrank hole ich die Mullbinde und eine braune Flasche mit Alkohol. Ich hüpfe zurück, während mir der Schmerz bis hinauf in die Hüfte schießt. Isabel und Benicio stehen sich immer noch genauso gegenüber, wie ich sie zurückgelassen habe. Benny schreit weiterhin.
Ich setze mich auf die Kante des Bettes. Ich beiße die Zähne zusammen und kippe den Alkohol über die Wunde wie ein Soldat. Spucke bildet Blasen zwischen meinen zusammengepressten Zähnen. Ich reiße ein Stück von der Mullbinde ab und binde es fest um meine Wade. Ich hüpfe hinüber, bis ich direkt vor Isabel stehe. Mehr als alles in der Welt möchte ich ihr das Gesicht zerschlagen, so wie Leon es mit Benicios getan hat. Bennys schrilles Geheule hält mich gerade noch davon ab.
»Los jetzt.« Benicio bedeutet Isabel, vor ihm den Flur hinunter zu gehen.
Das Schlafzimmer, das wir betreten, riecht leicht nach Urin, ist aber sauber und geräumig und ebenfalls mit den gleichen glänzenden Terracottafliesen ausgelegt. Die Möbel und die ganze Einrichtung ähneln unserer Ferienwohnung – warm, farbenfroh, tropisch. Das Doppelbett ist sorgfältig mit einer weißenTagesdecke bedeckt. An der Wiege hängt ein Moskitonetz über Benny wie der Strahl eines weißen Spotlights.
Isabel will zu ihm.
»Nein!«, sagt Benicio und sie erstarrt.
Er senkt die Waffe, hält sie aber immer noch in ihre Richtung. »Hola Baby«, sagt Benicio freundlich.
Benny strampelt wieder mit den Beinen.
Ich humpele um Isabel herum, mein Bein fühlt sich an, als würde es in Flammen stehen. Ich schiebe das Moskitonetz auseinander. Das Gesicht des kleinen Jungen ist rot und tränenüberströmt. Sein Haar überraschend hell. Er hat kaum mexikanische Züge, obwohl seine Lippen zweifellos von Isabel stammen. »Beeil dich!«, drängt Benicio.
Ich hebe den kleinen Jungen aus seiner Wiege, wie wir es geplant haben. Benny scheint zuerst zurückhaltend zu sein und starrt mir ins Gesicht. Er sieht zu Benicio und dann zu mir. Er streckt die Hand aus und fühlt mein Haar. Und dann lächelt er und in dem Moment ist mir alles klar.
Selbst wenn ich nicht angeschossen gewesen wäre, hätte ich Schwierigkeiten mit meinem Gleichgewicht bekommen. Ich wende mich Benicio zu. »Oh mein Gott. Mein Gott«, ist alles, was ich sagen kann.
»Leg ihn zurück!«, schnauzt Isabel.
Benny fängt an zu wimmern.
»Sch.« Ich lasse Benny auf der Hüfte meines gesunden Beins reiten und verkneife mir die Tränen so vieler Schmerzen.
Dann wende ich mich an Isabel. »Du hast hier nichts mehr zu melden, Chica.« Ich nehme eine Kinderdecke aus Satin und einen kleinen gelben Kuschelbär aus der Wiege. Ich lächle Bennyzu und er lächelt zurück. Eine kleine Version seines Vaters. So sehr Oliver mir ähnelt, ähnelt Benny Jonathon.
Mit einem Arm umfasst er den Kuschelbär und verbirgt sein Gesicht darin. Mit der Decke trockne ich ihm die Wangen und küsse ihn instinktiv auf den Kopf.
»Pasaporte«, sagt Benicio zu Isabel. »Dónde está su pasaporte?«
Isabel starrt auf Benny in meinen Armen.
Benicio beugt sich zu ihrem Gesicht herunter und knurrt etwas auf Spanisch. Isabel zuckt unter seinen Worten zusammen. Sie geht hinüber zu einer Kommode, holt meinen Reisepass heraus und reicht ihn Benicio.
Er reißt ihn ihr aus der Hand und schiebt ihn in seine hintere Hosentasche.
Dann befiehlt er ihr, noch etwas anderes zu tun. Isabel öffnet eine weitere Schublade, holt ein violettes Tanktop und eine
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