Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
Gebäude aus grauem Stein. Es ist renoviert worden, gerade erst kürzlich, wie man an den geraden, hohen, modernen Fenstern sieht, den weißen stromlinienförmigen Lüstern und geschwungenen Jugendstilmöbeln, die ich durch die Tür erkennen kann. Nichts sieht nach einer Bank aus. Es wirkt eher wie eine Mischung aus Tiffany’s und einem Haus von Le Corbusier.
»Wo sind wir?«, frage ich.
Erika streicht mit ihrer Karte über eine Platte neben der Tür. »Bei der Bank. Ihrer Bank. Hier wird Ihr Konto geführt.«
»Ist das immer noch die Schweizer Bank?«
»Ja. Wir haben sie nur aufgeteilt. Auf diese Weise trennen wir unsere normalen Privatkunden von den Premiumkunden.«
»Premiumkunden?«
»Die Kunden mit höheren Einlagen.«
Ich frage nicht nach.
Die Tür öffnet sich mit einem befriedigenden Klicken.
Ich habe noch nie ein Haus betreten, das auch nur eine annähernde Ähnlichkeit mit diesen hatte. Man fühlt sich in das märchenhafte Anwesen eines Filmregisseurs versetzt, wie man es manchmal in Zeitschriften sieht. Von jemandem, der eine europäische Künstlerin geheiratet hat, beide sind berühmt, beide exzentrisch. Schwarze Sofas mit Überwürfen aus Schafsfell rechts und links von einem schwarzen, überdimensionierten Kamin, der offensichtlich häufig benutzt wird. Der Boden besteht aus sorgfältig poliertem Parkett, das einen geradezu zwingt, den ganzen Raum in sich aufzunehmen.
Erika führt mich hinein. Ein junger Mann kommt auf uns zu, der sich wie ein Kellner benimmt. Er scheint uns zu erwarten. Er bietet mir Champagner, Wein oder Espresso an. Selbstverständlich auch Tee, wenn ich es wünsche.
Gütiger Himmel. Nein. Ich möchte überhaupt nichts. Was ich in diesem Moment wirklich einfach nur möchte, ist mich hinsetzen.
Erika scheint meine Gedanken zu lesen. Sie dirigiert mich zu einem schwarzen Ledersessel hinter einem kleinen Vorlegeraus Rindsleder. Ich lasse mich in das weiche Polster sinken. Es fühlt sich an wie eine zweite Haut. Erika setzt sich mir gegenüber. Zwischen uns steht ein Kaffeetisch von Charles Eames.
»Annaliese Hagen war meine Urgroßmutter«, platze ich heraus. Inzwischen fühlt sich mein Kopf an, als würde er nicht mehr richtig auf meinen Hals passen. Ich hätte wahrscheinlich einfach weitergeplappert, wenn sich nicht bei der Erwähnung des Namens meiner Urgroßmutter die ganze Atmosphäre spürbar verändert hätte. Er scheint zwischen uns in der Luft zu hängen.
»Ja. Ich weiß«, sagt Erika. »Ich habe es in den Unterlagen gesehen. Außerdem habe ich gesehen, dass wir seit Jahren versuchen, Sie zu erreichen. Alle Kontoauszüge sind an die Bank zurückgeschickt worden. Bis neulich unser Rechercheteam angefangen hat, etwas tiefer zu graben, und Ihren neuen Namen und Ihre Adresse herausgefunden hat.«
»Sie meinen, Sie haben in letzter Zeit alles zu mir nach Hause geschickt?«
Erika nickt.
So hatte Jonathon es also herausgefunden.
»Mir war gar nicht wirklich bewusst, dass ich dieses Konto besitze«, sage ich. »Offensichtlich ist der Anwalt verstorben, bevor er alle Veränderungen im Testament vornehmen konnte.«
»Ich verstehe. In jedem Fall müssen Sie sehr stolz sein, dass Annaliese Hagen ihre Urgroßmutter war.«
»Ich denke, das bin ich auch. Ist Ihnen ihre Geschichte vertraut?«
Erika blickt mich an, als sei mir plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. »Selbstverständlich. Sie war eine der ersten, die füruns den Weg freigekämpft hat. Für uns Frauen. Sehen Sie mich an.«
»Was ist Ihr Job hier?«, erkundige ich mich.
»Ich bin Leiterin dieser Bank.«
»Oh.« Ich muss mir eingestehen, dass ich darauf nicht gekommen wäre. Beinah platze ich damit heraus, dass ich selbst mit einem Bankdirektor verheiratet bin, aber ich halte aus mehr Gründen, als ich aufzählen könnte, den Mund. »Das ist ja wunderbar. Ich gratuliere.« Ich werfe einen Blick zur Wanduhr. Es ist kurz nach elf. »Entschuldigen Sie. Könnte ich jetzt vielleicht einen Blick in mein Konto werfen?«
»Selbstverständlich.«
Erika hebt die Hand und der Mann, der wie ein Kellner wirkt, durchquert den Raum und tritt an ihre Seite. Sie flüstert ihm etwas zu. Er nickt und ist schon wieder verschwunden.
»Jan ist einer meiner Assistenten«, sagt Erika. »Er wird die Akte sofort bringen.«
»Vielen Dank.«
»Kein Problem. Und was führt Sie nach Zürich?«
Wo soll ich nur anfangen, diese Frage zu beantworten? Ich entscheide mich für die einfachste Antwort, die mir einfällt.
»Meine
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