Gefaehrliche Schatten
achteckigen Gebäude mit einem hohen Glasdach führte. Die Treppe verlief um die ganze Bibliothek, und ihre acht Kurven bildeten acht unterschiedliche Abteilungen. Jede Abteilung besaß einen Treppenabsatz mit eigenem Eingang zum Gebäude, und auf jedem Absatz befand sich ein Springbrunnen, von dem Wasser heruntersprühte. Blizzard und Little Bighorn stapften langsam die Stufen hinauf; bei jeder Bewegung ihrer muskulösen Rücken wurden die Scouts hin und her geschoben.
Die Treppen waren voller Leute und Tiere, die alle Bücher trugen, jeder auf seine Art. Ein Känguru, das an Noah vorbeisprang, hatte seinen Beutel voller Comics. Ein Schimpanse lief um Blizzard herum und trug ein dickes Wörterbuch zwischen den Zähnen. Ein Komodowaran glitt mit den Büchern auf seinem Rücken unter Little Bighorn hindurch. Es war offensichtlich, dass die Tiere alle Bücher zurückgaben, die Menschen ausgeliehen hatten. Auch wenn viele Tiere der Geheimen Gesellschaft sehr klug waren, so konnten sie bestimmt nicht lesen, dachte Noah.
Staunend betrachtete er das Gebäude. Es war mindestens zwanzig Stockwerke hoch und ganz aus Marmor. Auf jedem Stockwerk verlief ein Balkon rund um das ganze Gebäude. Bäume wuchsen an allen Seiten der Bibliothek, und ihre Äste reichten durch die Fenster.
Noah fragte sich, ob P-Dog und Podgy die lange Treppe überhaupt schaffen konnten. Er blickte hinunter und sah, wie die Präriehunde kläffend von Stufe zu Stufe sprangen. Dann flog Podgy vorbei. Sein weicher Bauch wackelte unter seinen Flügeln hin und her. Elegant setzte der Pinguin zwischen den Wasserfontänen auf dem Treppenabsatz auf.
«Schöne Landung, Podgy!», rief Noah, und Podgy schlug fröhlich mit den Flügeln.
Blizzard schob sein Gewicht über die oberste Stufe, in die die Worte BIBLIOTHEK DER GEHEIMEN GESELLSCHAFT – BESUCHER WILLKOMMEN! eingemeißelt waren.
Die Scouts und die Tiere folgten ihren Begleitern zum nächsten Eingang – einem breiten Durchgang, vor dem ein Vorhang aus langen Perlenschnüren hing. Menschen und Tiere strömten hinein und hinaus, sodass die Perlen gegeneinanderklimperten und das Licht in alle Richtungen reflektierten. Drinnen drehte Noah sich um, um auf die anderen zu warten. P-Dog bekam eine Perle ins Auge und knurrte die Glaskugel böse an. Die anderen schafften es ohne Probleme.
«Wow!», keuchte Richie und drehte den Kopf hierhin und dorthin. «Seht euch das an!»
Noah schätzte, dass das Gebäude einen Durchmesser von zwei Fußballfeldern besaß. Über den zwanzig Stockwerken wölbte sich eine aufwendige Glaskuppel, auf die Bilder gemalt waren, die das Zusammenleben von Natur, Tieren und Büchern darstellten. Das Sonnenlicht brach in hellen Strahlen durch die Kuppel und ließ Tausende von Lichtpartikeln tanzen. Herbstblätter färbten die Luft und bildeten einen bunten Teppich auf dem Boden.
Überall erhoben sich Bäume und riesige Bücherregale wie Mauern in einem großen Labyrinth. Die Bäume bildeten den Rahmen für die Regale. Die Fächer waren an Baumstämmen befestigt, und ganze Reihen von Büchern standen auf horizontal wachsenden Ästen.
An der Innenseite der Bibliothek erkannte Noah dieselben Balkone, die er schon draußen bewundert hatte. Jedes Stockwerk hatte einen Balkon, der sich den Platz mit Bäumen und Regalen teilen musste. Schmale Stege gingen davon ab und führten durch die Bibliothek. Diese Brücken wurden von Tieren und Menschen bevölkert, die mit ihren Fingern an den Buchrücken entlangfuhren und die Bücher aus den Regalen nahmen.
Ella sah sich mit großen Augen um und sagte dann langsam: «Das kann doch alles nicht wahr sein.»
«Aber die Bäume», meinte Noah. «Die wachsen doch. Was … was passiert dann?»
Zu seiner Überraschung antwortete Solana. «Sie passen sich an.»
«Was?»
«Die Regale – sie passen sich an.»
«Wie denn?»
Solana deutete auf einen Samtflicken neben der Stelle, wo ein Ast durch ein Bücherregal gewachsen war. Noah blickte zu den anderen Regalen. Wo immer die Bäume sich durch das Holz gebohrt hatten, waren diese Flicken zu sehen. Ähnliches hatte er auf der Kleidung der Teenager gesehen.
Auf Solanas Jacke liefen Streifen aus weißem Samt an den senkrechten Nähten entlang. Es war bestimmt derselbe Samt, aus dem auch die Vorhänge vor den Eingängen der einzelnen Sektoren waren. «Sie passen sich an», hatte Solana gesagt. Was sollte das heißen? Und würde sich Solanas Jacke wegen dieser Samtstreifen ebenfalls «anpassen»?
Noah
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