Gefaehrliche Spur
anbieten.
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Travis fand, dass Portland eine ganz eigene Atmosphäre besaß. Das lag nicht nur am Duft des Meeres, der vom auflandigen Wind in die Stadt getrieben wurde, und den sein feiner Geruchssinn aus den Ausdünstungen der Stadt herausroch. Die überall präsenten Schreie der Möwen taten ein Übriges, ebenso das Grün rundherum. Die Stadt trug nicht umsonst den Spitznamen The Forest City – die Waldstadt –, denn sie war nicht nur umgeben von Wald, auch im Stadtgebiet schien jede nur mögliche freie Fläche mit Bäumen b e pflanzt zu sein, sofern sie nicht anderen Zwecken diente. Überall gab es ö f fentliche Parks und Gartenanlagen. Portland war eine Stadt, in der man sich wohlfühlen konnte.
Sie erinnerte ihn an seine Heimat in Montana. In Las Vegas lebte er g e zwungenermaßen von Berufs wegen, aber die dortige Hitze bekam ihm nicht gut. Besonders nicht zu den Zeiten – die meiste Zeit des Tages –, zu denen er dem Dresscode des FBI entsprechend in dunklem Anzug herumlaufen mus s te. Im klimatisierten Gebäude der Division war es auszuhalten . Vielleicht würden er und Wayne demnächst an einen anderen Ort versetzt werden. Nachdem Las Vegas dank Bronwyn und Devlin als magischer Hotspot unter Kontrolle war, genügte es, wenn die beiden dort für das DOC die Stellung hielten.
Travis atmete tief die klare Luft ein. Es war immer noch kühl, aber das machte ihm nichts aus. Die Winter in Montana und der Frühling waren ric h tig kalt. Warm wurde es dort meistens erst im Mai. Zumindest in der Gegend, in der Travis aufgewachsen war. Seine Eltern besaßen eine Farm bei Misso u la, und Travis hatte die meiste Zeit seiner Jugend Sommer wie Winter im Freien verbracht, wenn er nicht in der Schule war. Im Urlaub zog es ihn i m mer noch nach Hause auf die Farm. Und weil er von Kindheit an kalte U m gebungen und Schneecamping gewöhnt war, würde er auch ein paar Nächte im Freien überstehen, falls er nicht in einem Obdachlosenasyl übernachten konnte.
Nachdem er nun am Ziel angekommen war, musste er zusehen, dass er Kontakt zur Szene bekam. Aber als Erstes würde er sich bei Wayne melden. Devlins Dark Diamond Hotel residierte auf der Commercial Street, direkt am Hafen mit Blick aufs Wasser und galt, wie alle seine Hotels, als erstes Haus am Platz. Travis hoffte, dass Devlin dem Manager gesteckt hatte, dass er Obdachlose, die sich in der Nähe des Hotels blicken ließen, nicht mit dem Besen oder Schlimmerem vertreiben sollte.
Seine letzte Mitfahrgelegenheit, ein Handelsreisender für Herrenhemden, hatte ihn an einer Cumberland-Farms-Tankstelle in der Woodford Street abgesetzt und ihm zum Abschied ein Hemd geschenkt. Travis hatte die Ve r packung noch an der Tankstelle entsorgt, denn als angeblich Obdachloser zog er ständig die Aufmerksamkeit der Streifenpolizisten auf sich und musste immer damit rechnen, kontrolliert zu werden. Sei es aus Schikane oder weil tatsächlich Diebesgut gesucht wurde, er bekam hautnah das Vorurteil zu sp ü ren, dass man Obdachlosen jedes Verbrechen zutraute. Wenn man ein orig i nalverpacktes Hemd bei ihm gefunden hätte, für das er keine Kaufquittung vorweisen konnte, würde man ihn sofort wegen Diebstahls einbuchten.
Deshalb hatte er das neue Hemd ganz unten in seinen Rucksack gesteckt, damit es ein bisschen verknautschte und nicht mehr ganz so neu aussah und sich außerdem zu dem Namen des Handelsreisenden auch seine Autonu m mer gemerkt. Selbst ein Pflichtverteidiger, der von Obdachlosen nichts hielt, würde den Mann ausfindig machen, der bestimmt bezeugen würde, dass er Travis das Hemd geschenkt hatte. Sollten alle Stricke reißen, stand ihm ein Anruf zu, mit dem er O’Hara informieren würde, die dann dafür sorgte, dass die Sache bereinigt wurde. Doch das blieb das allerletzte Mittel, auf das er zurückgreifen würde, weil damit seine Tarnung verbrannt wäre.
Travis hatte dank eines von Sams Zaubern den Stadtplan von Portland im Kopf, da er kein Smartphone bei sich hatte, mit dem er den Plan jederzeit hätte aufrufen können. Deshalb wusste er genau, wie er von der Woodford zur Commercial Street kam. Zu Fuß wäre es ein Marsch von gut anderthalb Stunden, da er ausreichend trainiert war. Während er die Brighton Avenue hinunterging, die in Richtung Hafen führte, ließ er seinen Aufenthalt bei Sam noch einmal Revue passieren.
Er hätte nie geglaubt, dass er einmal eine Dämonin beneiden würde. Aber so war es. Sam hatte sich zusammen mit Nick eine funktionierende
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