Gefaehrliche Tiefen
nicht so weh, wie er erwartet hatte. Unbequemer war da schon der harte Boden. Unter seiner rechten Hüfte spürte er einen Stein und einen zweiten unter seiner blutenden Schulter. GroÃer Gott, ihm war so kalt. Und er hatte Durst. Spürte völlige Erschöpfung. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Augen offen zu halten. Gerade eben war er doch noch gerannt, hatte geschossen und geschrien, und im nächsten Moment lag er vollkommen zufrieden hier und war froh, sich nicht mehr bewegen zu müssen? Er sollte langsam aufstehen. Aber er war so müde.
Der Himmel über der Wüste war der Wahnsinn. Kein so schlechter Ort zum Sterben. Die Sterne hier drauÃen, weit weg von den Lichtern der Stadt, waren herrlich. Der Anblick hätte Summer gefallen.
20
Als Sam sich um fünf Uhr früh die Treppe hochschleppte, saà J . J. schon im Speiseraum. Irgendwie hatte sie Constantino dazu gebracht, ihr um diese Zeit ein Frühstück zuzubereiten. Ihr Teller war bereits halb leer. Sam setzte sich ihr gegenüber.
»Aha«, sagte J . J. »Zwei Minuten hätte ich dir noch zugestanden, dann hätte ich an deine Tür geklopft.«
Verschlafen blinzelte Sam Constantino an, der einen Teller mit Rührei und Obst vor sie hinstellte. »Wie hast du noch mal diesen Typ aufgetrieben, der uns da rausfährt?«
J . J. zuckte mit den Schultern. »Ich habe Eduardo gefragt, wer das schnellste Boot hat, dann habe ich mir den Burschen im Hafen erst mal genauer angesehen.«
»Hat er eine Lizenz als Tauchführer? Um Taucher mitzunehmen, braucht man eine besondere Genehmigung.«
J . J., die gerade ein Toastbrot mit Butter bestrich, sah auf. »Willst du mir etwa weismachen, dass du dich immer an die Vorschriften hältst?«
Sam dachte an Dans Spezialvereinbarung mit Eduardo, an den illegalen Verzicht, Tauchflaggen aufzuziehen, an ihre Solowanderungen auf den Inseln. Wie viele Vorschriften hatte sie dabei übertreten?
»Habe ich mir gedacht«, sagte J . J. »Meiner Erfahrung nach findet in Kleinstädten â und wenn man alle Leute, die verstreut auf den Inseln leben, zusammenzählt, kommt man auf eine Kleinstadt â jeder einen Weg, sich mit dem System zu arrangieren, auch wenn man manchmal nicht allzu genau hinschauen darf.« Sie deutete mit der Gabel auf Sams Teller. »Iss lieber auf. Unser Boot kommt in zwanzig Minuten.«
Sam schlang das Frühstück hinunter und packte ihren Seesack â Taucheranzug, Atemregler, Gewichte, Tarierweste, Atemmaske, Flossen, Kamera, wasserdichtes Gehäuse. Etwa eine Tonne, alles zusammen.
J . J. wartete schon auf der Heckplattform der
Papagayo
auf sie. Ihre Taucherausrüstung lag in einem schwarzen Seesack zu ihren FüÃen. Obendrauf ein weiÃes, in Kunststofffolie eingewickeltes Päckchen. »Mittagessen«, erklärte J . J.
Das sich rasch nähernde Boot sah auf der blauen Weite wie eine blasse Schale aus, die sich bis zum Horizont erstreckte. Das Motorengeräusch eilte dem Wasserfahrzeug deutlich voraus. Es handelte sich um ein groÃes, auffälliges Rennboot mit zwei riesigen AuÃenbordern. Solche Gefährte liebten Drogenkuriere, weil sie damit die Küstenwache abhängen konnten. Der Besitzer, ein sehr jung aussehender Mann mit glatter olivfarbener Haut, stellte sich als Domingo Guerrero vor.
»Guerrero?«, wiederholte Sam. »Bei der Darwin Station habe ich einen Guerrero kennengeâ¦Â«
»Dr. Ignacio Guerrero«, unterbrach Domingo. »Mein Onkel.«
»Und ich â¦Â« â der andere Mann streckte die Hand aus â »⦠bin Nicolas Ayala.« Obwohl er untersetzt und mittleren Alters war, erinnerte er sie an Carlos Santos.
Es lag an der Sonnenbrille, fiel ihr ein. Sie hatte das gleiche PCB -Gestell samt verspiegelten Gläsern wie Carlos Santos und Ricardo Diaz. Immer mit der Ruhe, sagte sie sich und setzte sich auf die gepolsterte Bank. Dass sie die gleiche Sonnenbrillenmarke bevorzugten, bedeutete wahrscheinlich nicht automatisch, dass sie unter einer Decke steckten.
Als sie vom Heck der
Papagayo
ablegten, kam Eduardo gähnend aus dem Maschinenraum.
Ayala winkte. »
Buenos
, Eduardo.«
»
Primo
«, antwortete Eduardo leise. Mit verschränkten Armen blickte er ihnen stirnrunzelnd nach, während sich das Boot entfernte.
Bis zu Wolf Island brauchte man etwa vier Stunden, sogar mit Vollgas. Der Lärm der Motoren machte jede Unterhaltung
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