Gefaehrliche Tiefen
die Zählung und die Berichte nicht weiterführte, dann wäre Dans Tod noch sinnloser. Und
sie
, wer auch immer
sie
waren, hätten gewonnen. Tausende weitere Tiere würden an diesem Ort sterben, der eigentlich eine Meeresschutzzone sein sollte. Das konnte sie nicht zulassen.
Jetzt gab es nur noch Zing und sie. Sie rieb sich die Stirn, um den Schmerz zu vertreiben, der sich dort eingenistet hatte. »Eduardo, wir sind in der Nähe von Ola Rock, dem nächsten Ort auf Dans Liste. Ich möchte, dass Sie mich dorthin fahren.«
Mit einem Ruck hob er den Kopf. »Allein? Ich kann Sie nicht allein tauchen lassen. Jetzt schon gar nicht.«
»Wir haben bereits den Ort verpasst, den wir gestern hätten untersuchen sollen. Wenn wir morgen nach Puerto Ayora fahren, muss ich heute nach Ola Rock.«
Eduardo gab keine Antwort.
»Ich werde den Kapitän bitten, mit mir zu tauchen. Oder Tony.« Wobei ihr die Vorstellung, mit einem der beiden Männer allein unter Wasser zu sein, einen Schauder über den Rücken jagte.
Eduardo schüttelte sofort den Kopf. »Nein. Der Kapitän würde nicht zustimmen.«
»Wozu?« Dass sie mit der Fischzählung fortfuhr oder dass er sie begleitete?
Eduardo richtete den Blick wieder auf die Bucht und beobachtete die Gruppe. »Dan sollte nicht allein tauchen.«
Dass Eduardo die Gegenwartsform benutzte, erschütterte sie. Sie biss sich auf die Lippe, um ihn nicht zu korrigieren.
Dan hätte nicht allein tauchen sollen.
Wollte Eduardo damit andeuten, dass sie Dan im Stich gelassen hatte? Hatte sie das? SchlieÃlich sagte sie: »Aber genau das hat er getan. Und jetzt bleibt mir keine andere Wahl, als ebenfalls allein zu tauchen.«
Eduardo richtete den Blick wieder auf Sam. Die Falten auf seiner Stirn und um seine Augen herum erschienen noch tiefer als sonst. Hatte er überhaupt etwas Schlaf bekommen? Er zog die verspiegelte Sonnenbrille, die er auf den Kopf geschoben hatte, herunter und schüttelte den Kopf. »Nein. Das geht nicht. Es ist zu gefährlich.«
»Sie haben sich darauf eingelassen, Eduardo«, erwiderte sie leise. »Das Geld haben Sie bereits bekommen. Dan hat gesagt, Sie wären ein ehrlicher Mensch. Und der Kapitän hat ebenfalls bereits Geld erhalten.« Letzteres vermutete sie nur, Eduardo stritt es aber auch nicht ab. Wer hatte sonst noch etwas dafür bekommen, dass sie an Bord gehen durften? Und â was vielleicht sogar wichtiger war â wer wusste von der Vereinbarung, hatte aber nicht davon profitiert?
Eduardo stieà einen tiefen Seufzer aus. Dann deutete er auf das Wasser. »Schauen Sie.«
Ein dunkler Schatten näherte sich dem Strand, dicht unter der Wasseroberfläche. Sam versuchte angestrengt zu erkennen, um was es sich handelte. Für eine Schildkröte war der Schatten zu schmal. Für einen Rochen oder einen Delfin nicht elegant genug. Ein Seelöwe?
Es entpuppte sich als Kreatur in schwarzem Neopren, die schlieÃlich aus dem seichten Wasser auftauchte. Jerry Roberson spuckte seinen Schnorchel aus und rief seiner Frau zu: »Sandy! Ich habe einen Teufelsrochen gesehen!«
Nachdem Roberson wieder untergetaucht war, glitt Sam von der Mangrovenwurzel, stand knietief im Wasser und beobachtete, wie Jerry rasend schnell unter Wasser davonzischte. »Wow. Jerry ist wirklich ein toller Schwimmer. Ich kann den Atem nicht mal halb so lange anhalten.«
»Oh ja«, entgegnete Eduardo. »Er hat mir erzählt, er war Taucher in der U . S. Army.« Er schürzte einen Moment die Lippen, dann korrigierte er sich: »Nein, in der Navy. So wie die Helden in den Filmen. Er war ein Navy Seal.«
Sam starrte Robersons Schatten hinterher, der unter der gesprenkelten Oberfläche entlangglitt. Sie schlang die Arme um ihren Körper und dachte an Dan, der irgendwo dort drauÃen mit der Strömung dahintrieb. Was mochte es noch geben, dass sie nicht über Jerry Roberson wusste? Und über alle anderen an Bord der
Papagayo?
Verschiedenste Gedanken wirbelten durch ihren Kopf wie das aquamarinfarbene Wasser um ihre Knie. Was würde passieren, wenn Dans Leiche nie gefunden wurde? Und was, wenn man sie fand? Wie konnte sie die Polizei dazu bringen, ihr ihren Pass wiederzugeben? Sie hasste es, einfach nur abwarten zu können.
Wieso musste Chase ausgerechnet jetzt als verdeckter Ermittler arbeiten, wo sie ihn mehr denn je brauchte? Wozu hatte man einen Liebhaber,
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